Neuigkeiten 25.07.2019

Eins werden mit einem Festival: Nillson empfiehlt das Appletree Garden 2019

In einer Woche ist es soweit; dann öffnet das Appletree Garden Festival in Diepholz wieder vom 1.8. bis zum 3.8. die Tore zu einer von wunderbaren Tönen untermalten Märchenwelt, einem herrlichen Wochenend-Eskapismus, der uns ein weiteres Mal glücklich zurücklassen wird, so viel ist jetzt schon sicher.

Nach so vielen Jahren Appletree haben wir tatsächlich schon eine ganze Menge zusammen erlebt, zwischen Matsch, Superhitze, Tränen, Liebe und Abriss war schon alles dabei. Wir waren da, als das Festival noch klein war und Omas ganzer Stolz und The Unfuzzbarn die damals noch einzige Bühne an den nur zwei Festivaltagen eröffneten und The Robocop Kraus als Headliner auftraten. Lang, lang ist’s her. Inzwischen ist das Appletree Garden eine der Top-Adressen des Festivalsommers; hat sich über die Jahre durch ein exquisites Booking, vor allem aber durch eine wirklich unvergleichliche Atmosphäre so sehr in den Fokus der Festivalszene dieses Landes gespielt, dass die Menschen gerne von weit her kommen und es nicht mehr länger nur eine Pflichtveranstaltung für die geschmackssicheren Studis aus Vechta, Osnabrück und Oldenburg ist.

Vor allem in den letzten Jahren haben sich die Appletree-Macher klanglich immer noch ein wenig weiter geöffnet, bieten inzwischen Bands mit traditionellen südosteuropäischen, asiatischen und afrikanischen Klangwurzeln, die sie mit westlichen Sounds aus Rock, Funk, Elektronik oder Psychedelik speisen, eine Bühne. Nachts spielen DJs, es gibt Lesungen und ein Performance-Programm, und sowieso spielt die Kunst eine große Rolle; das wunderbare Gelände erstrahlt wenn es dunkel wird unter hunderten bunten Lichtern und Lampions, in den Bäumen auf der Lichtung im Bürgerpark hängen Kunstinstallationen, auf dem Spielplatz hängt eine Slackline zwischen den Bäumen und Diabolos, Hula Hoop-Reifen und andere Jonglier-Accessoires liegen wie selbstverständlich bereit. Das Appletree Garden kann ein tolles Musikwochenende sein, es ist aber vor allem inzwischen auch eine Zeitmaschine in glücklich-schwelgerische Kinderzeiten, ein Trip in eine liebevoll künstliche Fantasiewelt und gleichzeitig ein Appell an den wachen Geist - und die Leute kommen hierfür, nehmen es an, bringen sich ein und machen sich selbst zu einem unverzichtbaren Teil des Ganzen, der und das erste Augustwochenende im Jahr mit dem Vielfarb-Buntstift im Kalender einkreisen lässt.

Inzwischen gibt es fünf Spielorte, an denen Dinge passieren, ganz unterschiedlicher Natur: Während man auf der Hauptbühne die größeren Namen im Lineup finden kann, sind gerade die Acts auf der kleineren Waldbühne die, die man sich merken muss, weil sie häufig auf dem Sprung sind und in den nächsten Jahren auf noch viel größeren Stages der Festivalszene zu finden sein werden. Im Spiegelzelt, bei Hitze draußen wie im letzten Jahr ein Glutofen (aber worth it!), werden denkwürdige Konzertmomente geschaffen und auf Markt- und Spielplatz gibt es Performance, Zirkus, Zauberkunst und DJs für die frühen Morgenstunden. Da bleiben Spielplan-Überschneidungen natürlich inzwischen nicht mehr aus, aber das macht nichts, weil das Treibenlassen und Innehalten unter den schattenspendenden Bäumen ein wesentlicher Bestandteil eines perfekten Festivalwochenendes in Diepholz ist.

Der Blick aufs Lineup lässt im Vergleich zu den letzten Jahren die großen Namen ein wenig vermissen. Acts wie Metronomy, Olli Schulz, Bilderbuch, Dendemann, The Notwist oder Whomadewho findet man 2019 nicht. Ganz ausdrücklich: Das macht nichts. Denn das Booking-Team hat sein Aufgebot konsequent und sinnvoll zusammengestellt; die vorderste Front übernehmen in diesem Jahr Franc Moody mit einem unglaublich funky Discotronic, der den tanzfreudigen Appletree-Menschen wunderbar in die Karten spielen wird, am Donnerstag; am Freitag sind es mit Bonaparte und Käptn Peng und die Tentakel von Delphi zwei überaus gern gesehene Wiederholungstäter zwischen Hits und Abriss, während auf der Waldbühne Hundreds (ebenfalls gerne wiedergesehen, schon zum dritten Mal hier und inzwischen ein über sich hinaus wachsendes Ereignis) und Tamino (immerhin Best New Artist beim letztjährigen Reeperbahn Festival) für grandiose Momente sorgen werden; und am Samstag hat man mit Kate Tempest (noch eine Appletree-Wiederholungstäterin) eine der derzeit wichtigsten Figuren im Pop zurückgeholt, werden MEUTE die Lichtung mit satten Bläsern und live gespielter Elektronik alles zusammenstampfen, und Balthazar (es ist ein wenig das Jahr der Appletree-erfahrenen Crowdpleaser) ein wunderschönes Konzert auf der Waldbühne spielen, bevor zum Abschluss des Festivals Cari Cari (waren auch letztes Jahr schon da, spielten aber viel zu früh) endlich die spätabendliche Aufmerksamkeit kriegen werden, die sie verdient haben.

Mehr denn je lohnt sich aber in diesem Jahr der Blick in die „zweite Reihe“. Gerade im Spiegelzelt wird es denkwürdige Konzerte zu sehen geben; die Leute mit den Wasserzerstäubern können sich schon mal ihre Sprühflasche an den Gürtel hängen. Am Donnerstag wird man dort nämlich unter anderem YIN YIN zu sehen bekommen, eine niederländische Band, und genau wie die im letzten Jahr noch recht unbekannten, aber inzwischen umso fulminanter gefeierten Altin Gün aus dem Hause Bongo Joe. Das scheint eine Goldschmiede für extravagante Sounds zu sein: Wo Altin Gün türkische Folklore und traditionelle Klänge kongenial mit Psychedelic, Funk und Rock anreicherten, machen YIN YIN das gleiche mit Elementen aus der südostasiatischen Musik der 60er und 70er, bleiben dabei aber rein instrumental. Ja, man könnte durchaus gemein sein und behaupten, hier werde das gleiche Rezept in anderer Darbietung gekocht, aber diese Jungs muss man live sehen, das wird uns einsaugen und nicht mehr loslassen; definitiv ein Highlight des Wochenendes. Im Herbst spielen YIN YIN beim Reeperbahn Festival einige Showcases, danach wird man sie durch die Decke gehen sehen.

Ebenfalls mit Freude erwarten wir den Auftritt der niederländisch-neuseeländischen Band My Baby am Samstag, die uns seit ihrer Show beim Orange Blossom Special vor zwei Jahren nicht mehr loslassen: Ein pulsierend-brodelnder Mix aus technoidem Voodoo-Vibe, Folk und Funk, der einen trancehaften Sog entwickelt. Eigentlich zu schade für die kleine Zeltbühne, aber ein dickes Ausrufezeichen im Timetable. Da kann man nach Barns Courtney gleich dort stehen bleiben, dessen leidenschaftlichen Indiepop sollte man nämlich auch nicht verpassen, das wird Spaß machen. Und weil nach My Baby ein DJ-Set von O/Y wartet, entfernt man sich am besten gar nicht weit vom Spiegelzelt, auch wenn die Qual der Wahl natürlich groß ist, aber die deep-melancholischen Sounds, die der Berliner live zu einem gleichzeitig sehr tanzbaren, aber auch andächtig schwelgerischen Mix verarbeitet, ist nahezu der perfekte Appletree-Ausglang.

Für noch etwas mehr Öffnung in neue Klangwelten sorgen Tshegue, das Bandprojekt der Kongolesin Faty Sy Savanet, mit einem faszinierenden Mix aus Afrobeat, Punk, Tribal und Garage; im Timetable praktischerweise direkt gefolgt von Ibeyi, die inzwischen gar nicht mehr ganz so unbekannt sind und sogar schon mit Kamasi Washington kollaborierten. Da treffen sich Elemente aus afrikanischer und kubanischer Musik mit Jazz und Soul und genau der richtigen Portion Pop, das wird toll. Und auch Shkoon sollte man am Freitag auf dem Schirm haben, natürlich im Zelt, denn da treffen arabische Melodien auf Housebeats mit Live Percussion, sehr tanzbar, sehr relaxt, sehr einnehmend.

Zu den bekannteren Namen im Lineup zählen auch Fil Bo Riva, die schon lange nicht mehr klingen wie ein Henning May-Double, sondern ihrem ursprünglich Folk-nahen Sound inzwischen einen schönen Glam-Touch verpasst haben; die Giant Rooks sollten inzwischen eigentlich jedem bekannt sein, darum weiß man auch, dass das immer tolle Konzerte sind; Whitney sind der heiße Scheiß wenn man groovy Indiepop mag und den Sommer liebt; Fabian Altstötter kennt man noch von Sizarr, sein neues Alter Ego Jungstötter haben wir in Verbindung mit Rotwein, Kamin und Sessel im Winter sehr lieben gelernt; das wird fein werden. Und persönlich freue ich mich auch auf ein Wiedersehen (schon wieder eins!) mit Say Yes Dog, die vor einigen Jahren nachts nach der letzten Hauptbühnen-Band noch austanzen durften und einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben.

Ja, das Appletree Garden weiß, mit wem es verbunden ist, und so darf auch der ewige Dirk Gieselmann wieder vorlesen darf, Geschichten aus der Jugend, so vergänglich wie prägnant. Stefanie Sargnagel gilt als wichtigste österreichische Autorin des 21. Jahrhunderts und schreibt über die Unzulänglichkeiten des Lebens; Paul Bokowski erzählt auf ähnlich irriwitzige Weise über die Tücken des Alltags. Und mit Maxi Gstettenbauer gibt es klasse Stand Up-Comedy. Das Zirkusprogramm wird angeführt von The Great Granny Show, und Ernesto Lucas wird uns zeigen, wie wir richtig jonglieren, damit wir das dann auf dem Spielplatz schön nachmachen können.

Und weil ein tolles großes Fest nichts ist ohne das passende Food Lineup, gibt es dieses Jahr ein Wiedersehen mit den unvergleichlich schmackhaften Holy Dogs, den besten Falafeln der Festivalszene von Fritusalim und den Sushi Burritos von SuBu - Sushi Burrito, deren SuBu Bowl es im vergangenen Jahr auf Platz 1 unserer Festivalfood-Rangliste schaffte. Neu dabei sind köstliche Dumplings von Han West, Schweizer Raclette von Cheesus und für die Burger sorgt in diesem Jahr erstmalig die Burger Biene. Da werden wir uns schön durchprobieren.

Ihr seht: Alles ist bereitet für ein abermals unvergessliches Festivalwochenende. Die Vorfreude ist groß - gehen wir es an! Natürlich ist das Appletree Garden schon ausverkauft, aber ihr kennt das Spiel, des einen Leid ist des anderen Freud‘ - haltet die Augen nach fairen Angeboten offen und gebt den Verhinderten das Gefühl, euch glücklich gemacht zu haben. Wir sehen uns in Diepholz!

Hier kommt der Timetable für euch:

Donnerstag, 1.8.2019

Hauptbühne:

17:00 - 17:40 Alli Neumann
18:15 - 18:55 Neufundland
19:35 - 20:20 Joan As Police Woman
21:00 - 21:50 Fil Bo Riva
22:30 - 23:30 Franc Moody

Spiegelzelt:

16:15 - 16:50 CHILDREN
17:15 - 18:15 Ronja von Rönne (Lesung)
18:55 - 19:35 Klaus Johann Grobe
20:20 - 21:05 YIN YIN
21:50 - 23:20 Kerala Dust

Spielplatz:

20:20 - 21:00 The Zap Show
23:30 - 01:30 Jan Oberländer (DJ)

Freitag, 2.8.2019

Hauptbühne:

15:40 - 16:20 Faces On TV
17:30 - 18:15 International Music
19:20 - 20:10 Whitney
21:20 - 22:20 Bonaparte
23:40 - 00:50 Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi

Waldbühne:

15:00 - 15:30 Lisa Morgenstern
16:30 - 17:20 Surprise Act
18:25 - 19:10 Golden Dawn Arkestra
20:20 - 21:10 Tamino
22:30 - 23:30 Hundreds
01:00 - 02:00 Kid Simius

Spiegelzelt:

12:40 - 13:40 Dirk Gieselmann (Lesung)
14:20 - 15:20 Paul Bokowski (Lesung)
16:20 - 17:00 Pip Blom
18:15 - 19:00 Jungstötter
20:10 - 21:00 Tempesst
22:20 - 23:20 Shkoon
00:30 - 01:30 Mambo Schinki

Marktplatz:

13:45 - 14:15 The Great Granny Show
20:20 - 20:50 Ernesto Lucas

Spielplatz:

02:00 - 03:40 Ameli Paul (DJ)

Samstag, 3.8.2019

Hauptbühne:

15:50 - 16:30 Blond
17:30 - 18:15 Say Yes Dog
19:20 - 20:10 Giant Rooks
21:20 - 22:20 Kate Tempest
23:40 - 00:50 MEUTE

Waldbühne:

15:00 - 15:40 The Screenshots
16:40 - 17:20 Roberto Bianco & Die Abbrunzati Boys
18:25 - 19:10 Tshegue
20:20 - 21:10 Ibeyi
22:30 - 23:30 Balthazar
01:00 - 02:00 Cari Cari

Spiegelzelt:

12:50 - 13:50 Maxi Gstettenbauer (Stand Up)
16:30 - 17:30 Stefanie Sargnagel (Lesung)
18:15 - 19:00 ÄTNA
20:10 - 21:00 Barns Courtney
22:20 - 23:20 My Baby
00:00 - 02:00 O/Y (DJ)

Marktplatz:

18:20 - 18:50 Ernesto Lucas

Spielplatz:

02:00 - 04:00 Iorie (DJ)


Text und Foto: Kristof Beuthner