Rezensionen 03.10.2018

John Metcalfe - Absence [Neue Meister / Edel]

Dass sich John Metcalfe bisher unter meinem Radar bewegte, ist insofern eine Schande, dass er zu den gefragtesten Sound-Arrangeuren Großbritanniens gehört und unter anderem mit Größen wie Coldplay oder Max Richter arbeitete. Dass sein fünftes eigenes Album, auf dem er sich mit dem Tod seines Vaters auseinander setzt, ein klangliches Glanzstück geworden ist, überrascht so gesehen nicht wenig.

Es markiert aber auch die Geburtsstunde der sogenannten John Metcalfe-Band, denn der Meister, der auf „Absence“ an der Violine zu hören ist, befand, dass seine Abhandlungen über das Hinübergleiten auf die vielzitierte andere Seite erst in ausladenderem Soundformat ihre wahre Aussagekraft fände. „Es geht um die imaginierten Gespräche, wenn sich jemand in den finalen, physischen Stadien des Todes befindet, wenn die Elektrizität unseren Körper verlässt. Und es geht um die letzten Gedanken dessen, der im Sterben begriffen ist und dessen, der weiterleben muss“, so Metcalfe; ein Satz, so aussagekräftig, dass er zitiert werden muss. Denn unterstützt von Ali Friend am Bass und Daisy Palmer am Schlagzeug, vor allem aber von Rosie Doonans glasklaren und gleichsam elfenhaften und glasklar-naturbelassenen Vocals, vertont John Metcalfe die ambivalente Gefühlswelt zwischen Schmerz und Angst, Erleichterung und Loslassen, Schwere und Leichtigkeit mit enormer künstlerischer Raffinesse. Die Arrangements sind mal cineastisch, mal flächig und treibend, aber, und das mag bei der thematischen Schwere überraschen, nie introspektiv. „Above The Waves Of Crystal Water“ klingt mit seinen sprudelnden Synthies, den groovenden Bassläufen und dem hektischen Schlagzeug sogar fast schon euphorisch und machen deutlich: Verlust und Loslassen implizieren ganz offensichtlich nicht nur Melancholie und Trauer. Und obwohl mit „Solitude“ dann doch wieder ein sehr persönliches, tragisches und schmerzvolles Stück folgt, verliert auch das nicht seinen erzählerischen Fokus, denn „Absence“ klingt trotz aller Katharsis immer adressatenorientiert, die Hand Metcalfes umfasst unsere und lässt nicht los.

Die stilistische Bandbreite ist dabei enorm: Vom Celtic Pop von Clannad oder Enya (!) bis hin zum majestätischen Triphop von Portishead und - das sind die stärksten Momente wie auf dem knapp siebenminütigen „Feel The Land“ - dem sphärischen, von energetischen Ausbrüchen getragenen Postrock von Gregor Samsa reicht John Metcalfes Spektrum, und alles vereint sich unter den scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten der Virtuosität, die das so schwer definierbare Genre der Contemporary Classic bietet. So gesehen ist „Absence“ nicht nur thematisch spannend, sondern auch ein klangliches Faszinosum, das die Kitschfalle nicht immer umgeht, sich aber niemals in ihr verfängt. Eine definitiv hörenswerte, Grenzen erweiternde und intensive Platte.


Text: Kristof Beuthner