Rezensionen 05.07.2016

kj - wake [Own Records]

KJ Rothweiler lebt in New York, dreht Filme und wird dementsprechend stark von Soundtracks inspiriert. Den cineastischen Ansatz nutzt er auf dem neuesten Own Records-Output für eine faszinierende Reise in den Zustand zwischen schlafend und wach.

So hält er tief inne, blickt in sich und schreibt acht elegische Ambient-Texturen, in denen Melodien mehr angedeutet als ausformuliert werden, eher fragmentarisch vorhanden sind und den Stücken doch immer eine Richtung geben. „wake“ beschreibt den Zustand zwischen Träumen und Realität als eine diffuse Zwischenwelt, als gleite man langsam in einen tiefen Schlaf hinüber. Da ist es nicht verwunderlich, dass eine tiefe Ruhe, ja eine enorme Friedlichkeit von diesem Werk ausgeht; es erinnert zeitweise an Max Richters Mammutwerk „Sleep“ aus dem vergangenen Herbst, das allerdings vornehmlich dazu dienen sollte, den Zuhörer zum Einschlafen zu bringen. Rothweiler möchte es uns nicht so einfach machen, beschreibt nicht nur vom Titel her eine Art Gegenstück zu „Sleep“. Er will zusammen mit uns das Hinübergleiten auskosten, die langsam verschwimmenden Wahrnehmungen, das Aufweichen von Konturen, das Einswerden von Licht und Dunkelheit. Sind wir noch wach, träumen wir schon? Bewegt sich dort ein Schatten auf uns zu oder manifestiert sich schemenhaft die erste Gestalt aus unserem Unterbewusstsein, um uns durch den Schlaf zu begleiten? Welche Geräusche, die wir nur noch undeutlich wahrnehmen, werden uns den Traum beschallen? All das sind Suggestionen, die mit unseren eigenen Gedankenwelten zu tun haben; mit unserer unmittelbaren Umwelt, mit dem, wovor wir uns in den Schlaf flüchten und dem, was wir mit hinein tragen. So ist „wake“ ein spannendes und sehr inspirierendes Kunstprojekt geworden, das uns tief in diese wunderschön kontemplative Musik zwischen sphärischen Soundflächen und geisterhaften Field Recordings eintauchen lassen und sie zu unserer eigenen machen kann; den Soundtrack zu unseren unterbewusst entstehenden Kopfbildern liefert und reichhaltig Raum für Interpretation bietet. So intensiv haben wir das zuletzt bei Bands wie Stars Of The Lid oder A Winged Victory For The Sullen erfahren dürfen.


Text: Kristof Beuthner