In meinen zehn Nillson-Jahren hat sich eine ganz schöne Menge an Lieblingsplatten angesammelt. Die möchte ich gerne in den nächsten Wochen mit euch teilen: Lest hier den letzten Teil über meine 151 besten Alben von 2008 bis 2018, und erfahrt, wer es an die Pole Position geschafft hat!
Ich als Jahrescharts-Spezi war in den letzten zehn Jahren verantwortlich dafür, den Autoren auf die Füße zu treten um eine standfeste Bestenliste zusammenzutragen, auszuwerten und in Rangfolge zu bringen. Das hat mir schon Spaß gemacht, da war ich noch gar kein Teil des Nillson-Teams. Was liegt da näher als die 151 besten Scheiben (plus eine außer Konkurrenz), die mir in der vergangenen Dekade zu Ohren gekommen sind, nun für euch zu ranken?
Ihr findet hier den nächsten Teil einer Liste, die komplett subjektiv und ohne Allgemeinheitsanspruch gilt. So gesehen werden mit Sicherheit einige Platten fehlen, die ihr als einflussreicher, größer oder brillanter erachtet. Dafür könnt ihr euch mit mir erinnern, verlorene und vergessene Schätze bergen und eine kleine Zeitreise unternehmen. Geht los! Lest hier und heute die letzte von zehn Runden und gebt euch die Plätze von 15 bis 1. Danke, dass ihr mit mir wart!
Platz 15: The Boxer Rebellion - Union (2009)

Wenn man sich die Referenzen anschaut, die herbeigezogen werden, um die Band von Nathan Nicholson zu beschreiben, ist die Liste lang wie diffus: Editors, Coldplay, Sigur Rós, um mal drei herauszupicken, die auf den ersten Blick nichts miteinander gemein haben. „Union“, das zweite und zunächst im Eigenvertrieb veröffentlichte Album von The Boxer Rebellion, vereinte tatsächlich Einflüsse aus Post Rock, Post Punk und glasklarem, melodischem Britpop zu einem faszinierenden, mitreißenden Ganzen; das hohe Niveau erreichte die Band so nie mehr. Songs wie „Evacuate“ und „Flashing Red Light Means Go“, aber auch die langsameren Stücke wie „Soviets“ oder „The Gospel Of Goro Adachi“ zerren emotional enorm, was auch an der spürbaren Katharsis in Nicholsons Stimme liegt, die zwischen Jonsi-Falsett und Chris Martin-Anschmiegsamkeit schwankt.
Platz 14: Max Richter - Sleep (2015)

Wie der Name schon sagt, war es die Idee Max Richters, Musik zu kreieren, die die Menschen zum Schlafen bringt - zum gleichsam erholsamen wie reinigenden Schlaf, für die damit verbundene intensive Ruhe, aber auch das Verarbeiten von Erlebtem durch Träume. Musik, zu der man schläft, statt sie zu hören? Klingt ja erstmal seltsam - funktioniert aber wunderbar, denn selbst wenn man nicht schläft, ist dieses Album ein wahrhaft befreiender Genuss, zu dem die Gedanken auf die Reise gehen können. Das Original ist satte acht Stunden lang - so lang also, wie angeblich eine gesunde Schlafphase dauert - und wurde so auch aufgeführt, mit Betten im Publikum. Der herkömmliche Release „From Sleep“ begrent das Oeuvre auf eine Stunde und ist mit seinen mäandernden Träumereien für Klavier, Streicher und Chor ein weiterer Beweis für die große Brillanz des Komponisten Max Richter.
Platz 13: Low Roar - Low Roar (2012)

Warum soll man immer nur Songs im Schlafzimmer aufnehmen? Der armenischstämmige Amerikaner Ryan Karazija zog nach Reykjavik und setzte sich mit dem Aufnahmegerät in die Küche, um seine ersten wunderschönen Folk- und Ambient Pop-Stücke zu verewigen. „Low Roar“ ist das ganz und gar wundervolle Debüt eines Menschen, dessen Seele sich mit dem nahenden Dunkel im Herbst in die ewigen Jagdgründe aufmachen möchte, allein es sind noch die Worte da, die gesagt werden müssen. Und während draußen die Bäume immer kahler werden, entstehen da Songs wie „Just A Habit“, „Patience“ oder das abschließende, sich in sphärischen Klangmustern verlierende „Tonight, Tonight, Tonight“ - pure Poesie, die sich präsentiert, als würde Sigur Rós-Sänger Jónsi sich plötzlich allein der Stille zwischen den Ausbrüchen hingeben.
Platz 12: Sometree - Yonder (2009)

Sometree sind bis heute eine der am meisten unterschätzen Bands dieses Landes. Mit „Yonder“ war das Quartett aus Hannover und Berlin 2009 auf der Höhe seines Schaffens; es vereinte die brachialen Soundwand-Konstrukte von „Moleskine“ mit dem melancholischen Post-Pop von „Bending The Willow“ auf faszinierende Weise und fand seinen Höhepunkt im wunderschönen und zutiefst traurigen „Moduin“, das den Einsamen „What took you so long to find me here? I’ve waited all my life“ zu zarten Piano-Akkorden klagen lässt. Eine durch und durch brillante, ambitionierte und komplexe Platte, nach der die Band sich auflöste. Der Alltag hatte die Kontrolle übernommen; Zeit um so wunderbare Musik zu schreiben - und das war zweifelsohne der Anspruch der Band, wie sie mir damals im Interview verriet - gab es kaum noch. So ist „Yonder“ nicht nur Sometrees größtes Album, sondern zeitgleich auch ihr Vermächtnis.
Platz 11: Kjartan Sveinsson - Der Klang der Offenbarung des Göttlichen (2016)

Es gibt nicht wenige, die finden, die musikalische Finesse von Sigur Rós habe seit dem Ausstieg ihres Keyboarders Kjartan Sveinsson gelitten. So fand Sveinsson aber die Zeit, gemeinsam mit dem Filmorchester Babelsberg und dem Berliner Filmchor das Theaterstück zum Roman „Weltlicht“ von Halldór Laxness zu vertonen, das von einem gescheiterten Poeten und dessen Sinnsuche erzählt. Derlei existenzielle Themen waren auch im neueren Werk Terrence Malicks zu finden: Die Frage nach dem richtigen Lebensweg in „Tree Of Life“ etwa oder der zerstörerischen Kraft der Liebe in „To The Wonder“, denen Sveinssons Meisterwerk als Soundtrack auch gut zu Gesicht gestanden hätte. Auf „Der Klang der Offenbarung des Göttlichen“ schwelgen die Streicher und jubilieren die Chöre, sie begleiten die strauchelnde Figur, während sie sich im Angesicht der Schönheit und Macht der Natur ihrer eigenen Bedeutungslosigkeit bewusst wird. Ein Gefühl, das sich lückenlos auf den Hörer überträgt und gleichzeitig hilflos, aber unendlich glücklich macht.
Platz 10: The Pains Of Being Pure At Heart - Belong (2011)

Schon das Debüt von The Pains Of Being Pure At Heart hatte sich mit seinem an Belle & Sebastian erinnernden Dreampop zum Kritikerliebling gemausert; mit ihrem zweiten Album gelang der Band um Kip Bearman der Durchbruch. Auch „Belong“ war noch tief im Dreampop verwurzelt und über die Maßen romantisch; Zeilen wie „Even in dreams I will not betray you“ sprechen da Bände. Aber die Platte war auch ungleich konkreter und zupackender als das Debüt, glänzte wie im Titeltrack mit einprägsamen Riffs und immer wieder auch mit starkem Wortwitz: „She was the heart in your heartbreak, she was the „miss“ in your mistake“. Nie war das Songwriting Kip Bearmans besser, nie waren The Pains Of Being Pure At Heart gleichzeitig so nahbar und sperrig wie auf diesem grandiosen Album, das längst nicht so naiv ist wie es auf den ersten Blick scheinen mag und einfach für ein wahnsinnig gutes Gefühl sorgt.
Platz 9: Gisbert zu Knyphausen - Hurra! Hurra! So nicht (2010)

Als Gisbert zu Knyphausen mit seinem „Fick dich ins Knie, Melancholie“-Vorboten plötzlich immer populärer wurde, hatte ich mich kurz vor einem zu phrasenlastigen zweiten Album gefürchtet - was für ein Fehler. Tief im Trennungsschmerz schrieb Gisbert seine bis heute besten und erinnerungswürdigsten Songs. „Kräne“ ist eine herrlich fernwehwunde Hymne an den Hamburger Hafen, „Dreh dich nicht um“ ein zum Sterben schönes und zeitgleich tieftrauriges Trennungslied voller schmerzhaft guter Erinnerungen, und auf „Seltsames Licht“ stehen am Ende sechs kleine Jungs in tonloser Trauer am Totenbett einer durch einen Sprung aus dem Fenster von den Leiden des Lebens erlösten guten Freundin: „So wie es war wird’s nie wieder sein, so wie es ist kann’s nicht bleiben. Wie es dann wird kann vielleicht nur der bucklige Winter entscheiden, aber wir sehen uns wieder, ganz bestimmt, irgendwann“.
Platz 8: Get Well Soon - Vexations (2010)

Konstantin Groppers Opus Magnum und zweites Album unter dem Alias Get Well Soon erweitert die Traurigkeit seines Debüts um eine weitere, und zwar gewichtige Facette: Den Stoizismus. Das Ertragen. Das Hinnehmen. Die Resignation. Wo sich „Rest Now…“ klanglich opulent und teilweise bombastisch arrangiert präsentierte, klingt „Vexations“ wesentlich karger und düsterer, aber auch sakraler und noch einen Tick inniger. „The fire lost it’s warmth and it seems we’ll freeze to death“ heißt es in „We Are Free“, der Tod ist die Erlösung, und auch „A Voice In The Louvre“ ist ein der Anderswelt naher, tieftrauriger Abgesang; der Übergang wäre so einfach, aber Gropper stellt dem Song ein zweifelndes „If only I wasn’t so afraid“ hintenan. Dafür gibt es mit „Angry Young Man“ aber auch eine tatsächlich unverschämt poppige Single, deren Brillanz im Oeuvre von Get Well Soon ihresgleichen sucht und auf der die Lethargie mit dem gut gemeinten Ratschlag „Hope you run away“ am Ende tatsächlich aufgebrochen wird.
Platz 7: Federico Albanese - The Houseboat And The Moon (2014)

Kein Album hat mir in den letzten zehn Jahren besser beim Einschlafen geholfen als das fantastische Debüt von Federico Albanese - und das ist keineswegs despektierlich gemeint. Vielmehr bringt mich kaum ein Album so sehr dazu, in mir zu ruhen und die wirren Gedanken zu ordnen, und es hilft sehr, zu wissen, dass es dem Mailänder Pianisten damit ähnlich geht. Mit repetitiven Klangmustern und sehr dezenten elektronischen Einsprengseln - mal vom mit breiten Synth-Flächen illustrierten „Queen And Wonder“ abgesehen - schafft Federico Albanese eine Atmosphäre zwischen nächtlicher Gelassenheit („Beyond The Milk Wood“), kindlicher Spielfreude („Carousel #3“) und träumerischer Leichtigkeit („Lichtung“). Mein Herzstück ist und bleibt aber „Disclosed“, dessen Melodieführung in Verbindung mit den klagenden Streichern gleichsam bewegt wie bewegend klingt und mich immer wieder abholt. Man kann das Herzblut, das in dieser Platte steckt, mit jedem gespielten Ton spüren.
Platz 6: The Whitest Boy Alive - Rules (2009)

Dass Erlend Oye großartige Songs schreiben kann, zeigen seine Kings Of Convenience-Alben allesamt; dass sich seiner schmeichelnden Stimme auch auf Elektropop wunderbar lauschen lässt, wissen wir seit seinem ersten Solo-Werk „Unrest“, seinen fantastischen „DJ Kicks“ und dem ersten Whitest Boy Alive-Album „Dreams - auf „Rules“ aber findet sein Songwriting vollendete Perfektion. Was für eine unglaubliche Hitplatte das ist - und sie hat heute nichts von ihrem unwiderstehlichen Song verloren. Durch und durch tanzbar und gespickt mit fantastischen Elektropop-Stücken, die eine unnachahmliche Leichtigkeit ausstrahlen, ist dem Norweger und seiner Band, die inzwischen leider Geschichte ist, hier ein Meisterwerk gelungen, „Intentions“, „Keep A Secret“, „Timebomb“ und wie sie alle heißen haben gleichzeitig Party- und Relaxpotenzial, ein Kunststück, das einem erstmal so gelingen muss. Man könnte jetzt sagen, in einer besseren Welt gehören die Songs von „Rules“ in jedes Radio dieser Welt. Zu Oyes Popularität rund um den Globus hat diese Platte jedenfalls ihr Übriges getan.
Platz 5: Zinnschauer - Kalter Blick, scharfer Zahn (2013)

Jakob Amrs Debüt unter dem Pseudonym Zinnschauer traf mich aus dem Nichts und hinterließ mich völlig fassungslos. Auf unfassbar poetische Weise erzählte er mit faszinierender Märchen-Metaphorik eine Fabel von der Vergänglichkeit aus der Sicht eines jungen Mannes, der des Lebens überdrüssig ist, die Farben der Welt nicht mehr erträgt und sich mit Bleiche das Augenlicht zu nehmen versucht, was allerdings misslingt, wodurch sich ein weißgrauer Schleier über alles legt, was ihm begegnet. Der Wolf als personifizierte, tickende Zeit ist ein zentrales Thema; er jagt die schwindende jugendliche Leichtigkeit in Gestalt von im Wald spielenden Kindern erbarmungslos. „Kalter Blick, scharfer Zahn“ ist eine von jeder Hoffnung befreite Geschichte in acht Teilen, die pur und nackt - Jakob Amr singt, schreit und fleht allein zur Akustikgitarre - dargeboten wird. Stücke wie „Blütezeit“ oder „Schlafes Bruder“ fassen die Verzweiflung, an der wir hier teilhaben dürfen, so prägnant zusammen, dass sie die Kraft haben, auch einzeln dazustehen. Ein intensiver, schwerer, resignierter Trip; eines der besten deutschsprachigen Alben, die ich je gehört habe.
Platz 4: Moritz Krämer - Wir können nichts dafür (2011)

Der Berliner Moritz Krämer ist der Geschichtenerzähler, den ich dann doch guten Gewissens auf eine Stufe mit Gisbert zu Knyphausen stellen mag. Dass er das interne Ranking der deutschsprachigen Songwriter dann doch für sich entscheidet, liegt sicherlich am Zeitpunkt, an dem mich sein Debüt „Wir können nichts dafür“ erreichte - der Blickwinkel entstammt einer unerwachsenen Lebensphase, die aber erwachsene Gedanken erfordert. In der man erstmals gezwungen wird, Bilanz zu ziehen, wer einem aus einer früheren Zeit geblieben ist („Hinterher“); in der man bemerkt, wie die ersten langen Wegbegleiter scheitern („90 Minuten“); in der man sich nicht mehr in Schulkameradinnen, sondern in Kommilitonen still verliebt („Mitbewohnerin“). Moritz Krämer beobachtet schmerzhaft präzise und textet vernichtend ehrlich; selbst wenn er über einen lebensmüden kleinen Vogel erzählt („Kleiner Spatz“) ist das von brillanter Finesse und atemberaubender Wahrhaftigkeit. Und wenn ihm im Titelsong die kleine Nichte zuflüstert: „Es liegt nicht an dir, wir können nichts dafür“, möchte man weinen vor Dankbarkeit.
Platz 3: Get Well Soon - Rest Now, Weary Head, You Will Get Well Soon (2008)

2008 war Konstantin Gropper Indiepop’s next Wunderkind, der deutsche Conor Oberst und was weiß ich noch. So viele Vorschusslorbeeren, das musste eigentlich schief gehen, aber das Gegenteil war der Fall, denn das Debüt von Get Well Soon war wirklich durch und durch brillant. Schwelgender, teilweiser orchestraler Bombast-Pop zwischen dramatischem Dark- und sehnsuchtsvollem Balkan-Folk, Meisterstücke wie „You/Aurora/You/Seaside“, „If This Hat Is Missing, I Have Gone Hunting“ oder dem zunächst wunderbar trägen, dann später betörend umarmenden „Christmas In Adventures Parks“, aber auch das mechanisch stampfende und brillant betitelte „I Sold My Hands For Food, So Please Feed Me“ und das dezent hoffnungsspendende „Tick! Tack! Goes My Automatic Heart“ sind zeitlos schöne Stücke, deren Wirkung durch den sonoren Bariton Groppers noch verstärkt wird. Eine Platte, über die ich ewig erzählen könnte und die später mit einer Bonus-Weihnachts-EP, auf der sich mit „Listen! Those Lost At Sea Sing A Song On Christmas Day“ und „Dear Tempest-Tossed, Dear Weakened“ noch einmal zwei der besten Get Well Soon-Songs aller Zeiten befinden.
Platz 2: Sigur Rós - Med Sud I Eyrum Vid Spilum Endalaust (2008)

Der Titel der Platte bedeutet übersetzt „Mit einem Rauschen in den Ohren spielen wir endlos weiter“ - einen besseren Namen konnten die Isländer einem ihrer Werke nicht geben. Das war allumfassend. Das hatte ich mir immer schon so vorgestellt. Dabei zeigte das Album eine Seite von Sigur Rós, die man zuvor gar nicht gekannt hatte: Eine verspielte, nach vorn preschende, mit offenen Armen, ausladend statt introspektiv, und irrsinnig vielfältig. Da war die fast schon fröhliche Single „Gobbledigook“, da war das trabende „Inni Mer Syngur Vitleysingur“. Aber da waren auch das wunderschöne, auf eine Gitarre reduzierte „Illgresi“ und das rein von einem Piano begleitete „All Alright“, zwei Stücke, die Sigur Rós in einer ganz neuen Verletzlichkeit und Intimität offenbarten. Vielseitigkeit - ja, das war die Stärke von „Med Sud I Eyrum Vid Spilum Endalaust“, und dann war da ja noch das neuneinhalb Minuten lange „Festival“, ein Stück, das ich einer Person vorspielen möchte, die ihr Leben lang taub war, plötzlich wieder hören kann und verstehen möchte, was Musik ist. Auf der ersten Hälfte singt Jonsi zu einer leisen Kirchenorgel - bis plötzlich die Trommeln losstampfen, die Streicher hinzukommen, die Bläser, alles immer lauter, größer, schöner wird und sich in einem bombastischen Finale in purer Glückseligkeit entläd.
Platz 1: Immanu El - In Passage (2012)

Ja, das dritte Album der vier Schweden von Immanu El war tatsächlich das eine, das mich am meisten und am nachhaltigsten bewegte, das mit mir auf Reisen ging und in schönen und schweren Zeiten mit mir war. Auf „In Passage“ entfernten sich Immanu El ein gutes Stück vom Post Rock ihrer beiden ersten Platten und öffneten sich dem Pop, dem die Zwillinge Claes und Per Strängberg ohnehin nahe standen. Die beiden hatten zwischen „Moen“ und „In Passage“ auf einem restaurierten alten Segelschiff gearbeitet und waren darauf um die Welt gesegelt, so trägt das Album eine ungeheure Liebe zum Meer (was mir als Nordlicht fraglos liegt) und gleichzeitig großes Fern- und Heimweh in sich, was leicht für sich zu verinnerlichen ist, wenn man zwischen dem sicheren Heimathafen und der Suche nach einem neuen Platz mäandert und sich auf keiner Seite eindeutig wiederfindet. Ich hörte das Album auf der Fahrt durch unberührte Natur und mit Blick auf die Nordsee in den Dünen, es war mir ein Soundtrack zwischen verschiedenen Lebensphasen wenn meine Gedanken geordnet werden mussten. „In Passage“ war immer da. Ich besitze es auf CD und Vinyl - und musste im Urlaub dann tatsächlich auch noch die Mp3s nachkaufen, weil ich beides daheim vergessen hatte und das Album dringend bei mir brauchte. Es verkörpert für mich auch eine Hoffnung auf Sicherheit und Gelassenheit, lässt mich zur Ruhe kommen und treibt mich an. So war und ist „In Passage“ dank Songs wie „Conquistador“ oder „On Wide Shoulders“ tatsächlich eine von fünf Inselplatten, mein ständiger Begleiter - und dadurch sicherlich für viele eine verständlicherweise schwer nachzuvollziehende, für mich aber eine durch und durch logische Nummer 1.
Text: Kristof Beuthner