Rezensionen 20.07.2016

Rob Lynch - Baby, I'm A Runaway [Grand Hotel van Cleef / Indigo]

Die Story vom GHvC und Rob Lynch aus Stamford, UK, liest sich überaus romantisch: Vom Pub-Musiker zum renommierten deutschen Indie-Label und rauf auf die großen Bühnen innerhalb kürzester Zeit. Da kann einem schon mal das Herz aufgehen.

Ja gut, diese großen Bühnen gab es vornehmlich als Support für den großen Thees Uhlmann, aber rumgekommen ist Rob Lynch unter der GHvC-Flagge schon ganz ordentlich, incl. der Vans Warped Tour in den Staaten und etlichen Festivalslots hierzulande. Kein Wunder: Sein Indie-Punk mit leicht angeschlagenem Folksound passt nicht nur in Kneipen und kleine Clubs, sondern vornehmlich zu diesem fantastischen rockbetrunkenen Sommergefühl, das wir wohl alle gut kennen. Da gehen nun also folgerichtig hinsichtlich des zweiten Albums des guten Mannes auch die Erwartungen gewaltig nach oben, und da bekommen wir leider ein Problem. Denn Lynch weicht auf seinem Zweitling ein wenig vom angerauten, bierseligen Punk zurück und besinnt sich, wie er selber sagt, vornehmlich auf die eigenen Einflüsse aus Pop-Punk, College Rock und dem Pop, der so im Radio lief. Und besonders der letztere hatte beim Schreiben der Songs von „Baby, I’m A Runaway“ scheinbar so viel zu sagen, dass er Lynch dazu brachte, seiner Musik selber die Kanten zu klauen. Na, nicht alle, aber doch einen nicht unbeträchtlichen Teil, und das Schwierige ist dann halt, dass die Platte ganz viel auf einmal sein will, Lynch aber nicht versiert genug mit seinen Einflüssen umgeht, um sie zu einem großen Ganzen zu vereinen. Um reiner Pop zu sein, sind die zehn Songs dann wieder nicht slick genug (nicht einmal die schmachtenden „Tectonic Plates“ und „Youth“, bei denen man auch eine gewisse Begeisterung für Producer Sam Duckworth alias Get Cape. Wear Cape. Fly herauslesen darf), für College Rock oder gar Pop Punk aber auch nicht ausreichend energisch und treibend. Dass Lynch das kann, beweist er durchaus, etwa bei dem Weezer-esken „Salt Springs“, das genau den fordernden Stampf und die überbordenden Harmonien hat, die man von einem Album in Gänze erwarten würde (und dürfte), das sich auf die Fahnen schreibt, sich an besagten Genres zu orientieren. Wie man so was richtig gut macht, hat Rocky Votolato im letzten Jahr mit seinem "Hospital Handshakes"-Album gezeigt. Insgesamt kann man sich diese Stücke auf einer Festivalbühne um 16.00 nachmittags vorstellen, das ist auch soweit alles schön und gut, aber eben nicht der große Wurf, nicht einmal der große Wurf der Herzen, sondern bloß ganz okay. Ein wenig mehr Entscheidungsfreude in die ein oder andere Richtung würde Rob Lynch bestimmt sehr gut tun. Hoffen wir auf Album Nr. 3!


Text: Kristof Beuthner