Rezensionen 20.07.2016

Yucatan - Uwch Gopa'r Mynydd [Stargazer / Broken Silence]

Bescheuerter Einstieg vielleicht, aber durch die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich in diesem Sommer hegen nunmal viele plötzlich eine gewisse Sympathie für Wales und Island. Bei Yucatan, und hier kommt die Pointe, vereinen sich Einflüsse aus beiden Musiknationen zu einem großartigen Shoegaze-Postrock-Folk-Album.

Das zweite Werk der Waliser, nach ganzen neun Jahren Veröffentlichungspause (unterbrochen nur von einer EP) jetzt auf dem famosen Stargazer-Label, wurde im Studio von Sigur Rós aufgenommen, da schließt sich der Kreis zu Island, und Parallelen zu den übermächtigen Postrock-Ikonen sind bei Yucatan eben auch unübersehbar. Da wären die ausladenden Songstrukturen, sich langsam aufbauend und mit viel wunderschönem Feinklangwerk angereichert nach und nach in majestätischem Glanz erstrahlend. Da fallen einem auch die tollen und sehr stark vermissten Efterklang immer wieder ein. Vor allem ist da aber auch die innige Art und Weise, Emotionen in einer Sprache zu transportieren, die hierzulande (und auch sonst) wohl kaum jemand versteht. Wo Sigur Rós vom selbsterdachten Vonlenska irgendwann zu Isländisch schwenken, singt Dilwyn Llwyd auf Walisisch, was ähnlich elfengleich und fremdartig klingt. Die Titel des Albums und der Songs sind kaum aussprechlich, was zur Illusion des Sagenhaften und Weltfernen nur beiträgt. „Uwch Gopa’r Mynydd“ bedeutet (laut Übersetzer-App) „Höchster Berggipfel“ - Naturromantik, natürlich, gerne, und wo sich spätestens mit dem sanft antreibenden Folk von „Halen Daear a Swn Y Môr“ („Lärm von Meersalz und Erde“) der Wohlklang in himmlische Sphären erhebt, ist der Albumtitel auch angebracht. Die anderen Stücke tragen Namen wie „Llyn Tawelwch“ („Stiller See“) oder „Ochenaid“ („Seufzer“) und erzählen von tiefer Sehnsucht, elegisch und traumwandlerisch, im perfekten Zusammenspiel von lauten und leisen Passagen, weitläufig und strahlend. Es erstehen wunderschöne Bilder vor dem inneren Auge, die ich jetzt gar nicht näher beschreiben will, um nicht den Eindruck zu erwecken, diese Musik würde in irgendeiner Weise die gängigen Postrock-Fabelwelt-Naturtraum-Kitschfantasien bedienen. Zu sehr über jeden Zweifel erhaben ist die Brillanz von Yucatan, zu innig das nie in zu viel Wunderlichkeit abdriftende Songwriting. Eine wahre Perle.


Text: Kristof Beuthner