Man nehme eine Band aus Großbritannien, eine Portion saftige Härte und den Hang zu großen Rockepen - wobei man bei letzterem vorsichtig sein muss und eher von einer Neudefinition des von Queen und Konsorten in den Pomp abgedrifteten Begriffs sprechen sollte - und fertig ist Antlered Man. Wir lehnen uns aus dem Fenster und behaupten: das haben viele Artverwandte zuletzt nicht so trefflich hinbekommen.

Also Rockepen. Oder: epischer Rock. Worunter ich heute eher verstehe, den Spannungsbogen über die volle Distanz eines mindestens fünf Minuten langen Songs aufrecht zu erhalten, ohne permanent das Gleiche zu erzählen als eben, wie eingangs bereits erwähnt, in Bombast mit elektrischen Gitarren abzudriften. Ja: das können Antlered Man, neuester Streich des feinen Noisolution-Labels. Die zehn Stücke auf "Giftes Parts 1 & 2" bieten so ziemlich die ganze Bandbreite interessanter Rockmusik: Lärmeskapaden, in denen sich pure Kraft und Energie entladen. Frickelphrasen mit diffusem Gemisch aus Gesang und Instrument, die sich allerdings wieder in Harmonie vereinen, wie auf "If You Can't Beat Them, Try Solvents". Mächtige Soundwände, die sich lang und breit vor dem Hörer erstrecken wie die Chinesische Mauer. Kaum ein Song zieht das gleiche Tempo über seine gesamte Dauer durch; immer wieder gibt es Brüche, Wechsel, Neuordnungen. Fast so ein bißchen kreatives Chaos zwischen großem Künstler und breitbeinigem Rocktypen mit Vorliebe für Schweine- und Stoner-Rock. Changiert ständig zwischen Finger am Bart und Pommesgabel in der Luft, Denker- und Rockerpose, und wird demnach halt auch wirklich nie langweilig. "Platoono Of Uno" zum Beispiel ist so ein Brett, das man sich einrahmen möchte: ständig geht es auf und ab, die Vocals kommen mehr geschrien als gesungen, es geht steil nach vorne, überschlägt sich, man ist förmlich geschafft am Ende. "Better The Calamity You Know", dito. Nein, keine "das-klingt-wie"-Ansagen am Ende, kein "für-Fans-von"-Schnack: Antlered Man haben ihre Klasse auf einem wirklich guten Erstling eindrucksvoll bewiesen. Es sollte ihnen dringend zugehört werden.

 

Text: Kristof Beuthner