Rezensionen 29.01.2016

Bloc Party - Hymns [Infectious / BMG / PIAS / Coop]

Back to the roots in der Entstehung, neue Ufer ansteuernd im Sound: Das fünfte Bloc Party-Album präsentiert die Band experimentierfreudiger denn je und mit der üblichen und liebgewonnenen Stillstandsverweigerung.

SO lange ist das schon her? 16 Jahre sind vergangen, seit Kele Okereke und Russell Lissack Bloc Party gründeten? Kaum zu glauben, aber wenn man bedenkt, wie frisch und unverbraucht auch das Debüt „Silent Alarm“ immer noch klingt, ist es genauso unfassbar, dass das mit Hits wie „Banquet“, „Helicopter“ oder „Two More Years“ nur so gespickte Werk letztes Jahr schon seinen zehnten Geburtstag gefeiert hat. Warum diese kurze Reise in die Vergangenheit nötig ist? Weil Okereke und Lissack ihr Baby mit dem fünften Bloc Party-Album zumindest in der Entstehung zurück an seine Anfänge geführt haben. Seit 2014 arbeiteten die beiden zusammen an neuen Songs, ganz so wie früher. Eine wohltuende Rückbesinnung auf alte Gepflogenheiten, die nach dem Split von Matt Tong und Gordon Moakes auch nötig war. Nach etlichen gemeinsamen Auftritten und regem Gedankenaustausch über die neuen Stücke kristallisierten sich der Bassist Justin Harris und die Schlagzeugerin Louise Bartle als die am meisten geeigneten Menschen heraus, die neuen Ideen mit nach vorne zu tragen. Bloc Party 2016 ist also entstehungstechnisch wieder wie Bloc Party 2000, und nun sind sie auch endlich wieder zu viert. Das ist aber auch alles, was sich in nostalgischer Hinsicht über das inzwischen fünfte Album „Hymns“ sagen lässt.

Und das ist auch gut so. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Bands, die in der legendären Class Of 2005 zu Weltruhm gelangten, ruhten sich Bloc Party nie auf einem ihnen eigenen Schema aus. Schon „A Weekend In The City“ hatte viele brüskiert, weil es einen nicht gleich so ansprang wie das Debüt. Immer wieder suchte die Band die Nähe zur Elektronik, gab folgerichtig Remix-Alben heraus. Kele Okerekes Soloausflug war sogar eine lupenreine Clubnummer. Auf „Four“, dem bis dato letzten Longplayer, fand die Band zurück zur Stromgitarre. Redundanz ist nie ihre Sache gewesen, und so überrascht es wenig, dass auch „Hymns“ wieder auf positive Weise anders klingt. Man hört den Approach einer Band, die mehr denn je die Lust gepackt hat, sich auszuprobieren: Mal abgesehen von der Single „The Love Within“, einer wirklich hübsch stampfenden Elektropopnummer, die sich ausgezeichnet in den bisherigen Output einfügt, gibt es auf „Hymns“ erstaunlich viele Downtempo-Songs zu hören, entspannt groovend, mit elegischen Synthieflächen über rastlosen Breaks und Beats. Stücke wie „Different Drugs“ erinnern an die Version von Clubsound eines Jamie xx. Kele Okereke singt offener und facettenreicher, mal im Falsett, mal soulig, mal erstaunlich poppig. Stücke wie „Into The Earth“ klingen dann wieder sehr organisch; erinnern mich (nicht unbedingt soundtechnisch, aber von der Pureness her) an The Whitest Boy Alive, und nicht umsonst beschreibt Russell Lissack „Hymns“ als ein live-nahes Album, dessen Sound eben Einflüsse aus elektronischer Musik nutzt und sie in ein organisches Gewand uminterpretiert. Diese Komponente ist neu im Hause Bloc Party: Es macht die Band selbst in Momenten, in denen sie spielerisch mit Glamrock kokettiert, greif- und nahbarer, ohne dass sie ihren Schwebezustand in höheren Soundgefilden verliert.

Das macht „Hymns“ gewiss noch nicht zu einem Highlight-Album, denn nicht immer - wie auf dem spirituell angehauchten „Only He Can Heal Me“ - geht der neue Sound glatt auf, was aber daran liegt, dass schlicht das Songwriting nicht durchweg über jeden Zweifel erhaben ist. Doch um zu unterstreichen, wie relevant Bloc Party auch nach so langer Zeit nach wie vor sind und wie breit die Band ihren musikalischen Facettenreichtum anlegt, ohne sich in feste Grenzen pressen zu lassen, ist „Hymns“ ein beeindruckendes Statement.


Text: Kristof Beuthner