Rezensionen 20.07.2012

Boy Android - Walk / Run / Flee [Stickman Records / Soulfood]

Und wieder habe ich ein Fenster entdeckt, groß genug um mal rauszuklettern aus dem Szenewirrwarr und dem Hipsterchaos, das so viele neue Bands ausfüllen, dass man kaum hinterher kommt. Noch erfreulicher ist im Fall von Boy Android, dass endlich mal wieder Wert gelegt wird auf gute, ehrliche Indierockarbeit aus deutschen Landen.

Da hat es doch vor ungefähr zehn Jahren hierzulande tatsächlich Bands gegeben, die englisch sangen, und doch äußerst authentisch waren; die Rockclubattitüde mit Emotion und fantastischer Melodieseligkeit zusammen brachten. Da fällt mir Verlen ein, auch die unvergessenen Readymade und Slut. Vielleicht mag man auch die frühen Blackmail noch mit in diesem Topf werfen. Man ist mit ihnen aufgewachsen, sie haben sich teilweise schon getrennt, und lange hat man dieses einzigartige Gefühl vermisst, dass jene genannten Bands einem überhaupt erst beigebracht haben: Das Verstandenwerden von ein paar Musikern in Trainingsjacken, während man, geplagt von den Widrigkeiten der Adoleszenz, an der eigentlich schon vielzuvielten Bierflasche nuckelnd, auf dem Sofa in der Ecke des Lieblingsclubs der Verflossenen oder dem Unerfüllten hinterher trauerte oder so. "My Love, You're Killing Me". Und da ist plötzlich die Verbundenheit wieder, mit nur einer Zeile. Boy Android, bestehend aus Hagen Fiedler (voc, g), Manuel Rother (g, voc), Hannes Geiselbrecht (b) und Benjamin Woche (d, voc), reihen sich in eine Tradition ein, die sie möglicherweise selbst geprägt hat, musikalisch wie lebenspraktisch. Und das Debüt "Walk / Run / Flee" klingt exakt so: Wie eine Art Hommage, wie eine Art wunderlicher Rückbezug, ausdrucksstark und eigenständig, denn die Platte ist keineswegs ein reinweg alter Wein in neuen Schläuchen, sondern hievt vielmehr die Quintessenz einer Musik, die noch Musik um ihrer selbst Willen sein durfte, in eine Zeit, in der Ehrlichkeit und Bodenständigkeit nur noch bei Unverdrossenen und nimmermüden Nostalgikern zählen. Die Songs sind schnörkellos instrumentiert, werden getragen von treibenden Drums und fahren die volle Bandbreite an Emotionen zwischen Licht und Schatten und allem dazwischen mit famosen Melodien und Hagen Fiedlers sehr eindringlichen Stimme auf ein lange nicht gehörtes Niveau. "Walk / Run / Flee" glänzt durch eine Straightness, die die zwölf Songs sehr schnell zum Punkt vollster Intensität führt, ohne lange herumzufummeln. Und damit begeistern Boy Android auf ganzer Linie.

 

Text: Kristof Beuthner