Es gibt wieder Futter für alle Wütenden und Protestwilligen. Die Straßen stehen offen für die nächste Bürgerwehr. Alle deutschen Hersteller von Guy-Fawkes-Masken können bereits den Ferrari bestellen, bald wird genug Geld da sein, um ihn zu bezahlen!
Es ist fast wie an meiner Universität- die ich ungünstiger Weise in dem Bundesland ausgesucht habe, das die höchsten Studiengebühren Deutschlands erhebt- wenn der Asta mal Demonstrationen organisiert, liegen sie defenitiv um den Januar herum und locken insgesamt 30-40 Studenten auf die zugeeisten Straßen. Der Geist der Revolution ist seit 1789 einfach etwas kühler geworden. Oder gibt es in unseren Asta einen sehr schlauen Marketingstrategen, der sich denkt: es sind vielleicht nur 30-40 Studenten, aber die gehen immerhin noch bei minus zehn Grad auf die Straße. Wenn das die Politiker nicht wachrüttelt, was dann?
Ja, es ist vielleicht wie Heinrich Heine sagte: "Die das Feuer anmachen, wärmen sich oft am wenigsten dabei."
Wo wir auch direkt beim neuen Protest-It-Thema des kalten 2012 Winters sind, denn ich habe Glück, dass Heine bereits wesentlich länger als 70 Jahre tot ist (nach 70 Jahren endet das Recht der Erben auf die Urheberschaftsrechte geistigen Eigentums), es geht nämlich um ein neues kommendes (?) Abkommen zum Thema PRODUKTPIRATERIE.
ACTA schreit es plötzlich von allen Seiten. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine stark linksorientierte Bewegung zur Bekämpfung der Globalisierung. Im Gegenteil:
ACTA (Anti-Counterfeiting-Trade-Agreement, zu deutsch: Handelsabkommen zur Abwehr von Fälschungen) ist ein völkerrechtliches Abkommen, das momentan in immer mehr Ländern zu Bürgerprotesten führt.
Das Protest- und Aufklärungskollektiv ANONYMOUS hat in einem Video (wenn auch stark polarisiert und propagandiert), die Funktionsweise und die möglichen Gefahren des ACT-Agreements deutlich gemacht:
Natürlich löst dieses Video bei jedem einigermaßen vernünftigen Menschen erst mal Würgereiz und Anti-Haltung aus. Diese furchtbar reißerische Hintergrundmusik, die aufdringliche Stimme (Bruno Kramm, Musiker und Labelinhaber, der allerdings in einem Zeit-Interview- auch als Vertreter einer Berufsgruppe, die sehr viel mit Urheberrecht zu tun hat- recht solide Argumente vorlegt) und die platte sophistische Argumentierweise lassen einen erst Mal denken: Okay Leute, netter Versuch aber etwas dick aufgetragen ist das jetzt schon!
Das ist es bestimmt. Aber nicht so sehr, wie man glauben möchte.
ACTA ist wirklich ein sehr zwielichtiges Abkommen, dass unter Ausschluss der Öffentlichkeit und Parlamente stattfand. Wie der Standart und tagesschau.de berichtet, ist sogar ein Berichterstatter des Europaparlaments aufgrund ACTA zurückgetreten. Seine Begründung: "Keine Einbindung der Zivilgesellschaft, fehlende Transparenz seit Beginn der Verhandlungen, die Unterschrift wurde ohne weitere Erklärung geleistet, die mehrfach geäußerten Bedenken des Europaparlamentes wurden einfach weggewischt", weithin redet er davon, dass versucht wird, das Abkommen abzuschließen, "bevor die Öffentlichkeit alarmiert werden konnte".
Diese Vorsicht vor der Öffentlichkeit zeigt bereits, dass den Vertretern hinter den ACTA-Abkommen durchaus bewusst ist, welche enormen Nachteile dieses hat. Zudem haben auch mehrere Wissenschaftler und Juristen die angeblich bewusst schwammigen Formulierungen, die einen gewissen Teil der Rechtssicherheit vernichten, stark kritisiert.
Für den Internetuser bedeutet das Abkommen eine noch größere Durchleuchtung all seiner Internetaktivitäten. Wenn Internetprovider (wie vimeo, youtube etc.) dafür strafbar gemacht werden, wenn auf ihrem Portal Verstöße gegen das Urheberrecht stattfinden, wäre die einzige Möglichkeit um weiterhin zu bestehen eine ständige Kontrolle der User.
Also, vielleicht sollte man doch seinen Skianzug aus dem Schrank holen, eine Thermoskanne mit heißem Kaffee füllen und raus auf die Straße gehen. Am 11.Februar sollen bundesweit "Massenproteste" gegen ACTA und somit vielleicht auch für die Freiheit und Datensicherheit im Internet begangen werden. Wer bei dieser Kälte nicht auf die Straße möchte, aber trotzdem vollkommen genervt von der youtube-Meldung "Dieses Video ist in ihrem Land leider nicht verfügbar" ist, kann auch digital eine Petition unterschreiben.
Ein sehr informatives und nicht zu plakatives FAQ: Das ACTA-Abkommen hat tagesschau.de online gestellt.
Text: Lasse Scheiba
Nachschub:
Unsere liebste Blinzelfee Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberg hat sich nun auch zu ACTA ausgesprochen und bestärkt damit die immer größer werdende Protestaktion.