Rezensionen 03.07.2013

Der Ringer - Das Königreich liegt unter uns EP [Euphorie]

Es naht die Rettung der deutschsprachigen Musik: Das blutjunge Hamburger Label Euphorie Records macht mit gnadenlos hoher Output-Qualität und vollkommen aus der Zeit gefallenem Info-Versteckspiel (Stichwort: Trümmer) auf sich aufmerksam. Mit Der Ringer fällt ein vielversprechender Startschuss zu einem hoffentlich erfüllten Label-Leben.

Ja, ganz recht, die "Das Königreich liegt unter uns EP" ist der erste Release auf Euphorie, und das ist definitiv ein Grund zum Feiern. Es ist ja eine alldieweil bemerkbare Entwicklung in der deutschsprachigen alternativen Musik, dass sich eine Schneise schlägt zwischen Songwriterpop und avantgardistischem Postpunk, und die Mitte ist viel zu häufig gefüllt mit mainstreamtauglichem Poprock. Alte Helden sind ins zweite Glied getreten, ihre Relevanz für die Jugend zu hinterfragen. Es müssen neue Helden her. Und Der Ringer aus Hamburg (of all places) haben da gutes Potenzial. Endlich wird jugendliche Unentschlossenheit und das Gefühl, nirgendwo richtig dazuzugehören, nicht mehr mit Dubstep-Eskapaden im Club weggetanzt. Endlich wird wieder etwas ausgesagt, ohne es zur Konzertgitarre ins Mikrofon zu hauchen oder es dosenbiergetränkt herauszuschreien; endlich aus dem Schatten der Aussagekraft eines kunstvoll inszenierten Produkts getreten. Angeblich trug das Quintett mal Masken auf der Bühne; sie sollten um ihrer selbst willen froh sein, sie abgelegt zu haben.

Der Sound von Der Ringer geht zurück zur klassischen Bandbesetzung (Gitarre-Bass-Synthie-Schlagzeug) und füllt die Mitte zwischen Naturbelassenheit und Avantgarde scheinbar mühelos. Wirklich abgefahren ist eigentlich nur das fünfte und letzte Stück der Debüt-EP namens "Ein Jahr mehr", das trotzdem den größten Eindruck hinterlässt und in dem der Gitarrennoise von selbstreflektiven Spoken-Word-Passagen unterbrochen wird. Der Ringer stellt aber darin die genau richtige und wichtige Frage einer jungen Band an das Publikum: "Hörst du mich? Hörst du meine Lieder, bedeuten sie etwas für dich?" - Ein Appell gegen die Oberflächlichkeit. Überhaupt sind die Lyrics auf eine sehr einnehmende und anspruchsvolle Art gefühlig, ohne jemals in aufgesetzte Intellektualität abzudriften. In ihnen finden sich viel Unsicherheit, Reflektionen über Lebenssinn und der Wunsch nach Ausbruch aus Konvention und Eingefahrenheit. Das ist genau das, was jungen Bands hierzulande derzeit so häufig abgeht, weil sie sich zu sehr an ein gerade präsentes Lebensgefühl klammern und damit auf Dauer kaum Tiefe erreichen.

In der Nachdenklichkeit und Ernsthaftigkeit der Gedankenwelt von Der Ringer findet sich immer auch aufs Sympathischste adoleszente Wirrköpfigkeit, die sich dann auch in den Haken wiederspiegelt, die ihre Musik schlägt. Das ist tatsächlich eine grandiose Frischzellenkur und macht ganz viel Vorfreude auf ein hoffentlich zeitnah erscheinendes Album. Gratulation, liebe Euphorie, zu einem derart gelungenen ersten Release.


Text: Kristof Beuthner