Rezensionen 30.06.2016

Fatherson - Open Book [Easy Life / Sony]

Im Vorprogramm von We Were Promised Jetpacks, Idlewild und Biffy Clyro haben die Schotten von Fatherson schon die Luft großer Hallen geschnuppert. Ihr zweites Album soll ihnen nun den Weg in die erste Reihe ebnen.

Schon über ihr vor zwei Jahren erschienenes Debüt „I Am An Island“ konnte man zwischen den allgegenwärtigen Lobeshymnen Sätze hören wie: „Große Rockmusik ohne große Rockmusik zu sein“. Das klingt vielleicht erstmal komisch, lässt sich aber so erklären: Der Sound von Fatherson war von Anfang an den Bands, die die Band live supportet hatte, sehr nah; druckvoll, umarmend, tief und versehen mit einer manchmal übermenschlich großen Geste (inklusive gelegentlichem Hang zum Bombast, auch unterstützt durch Ross Leightons glasklar schimmerndes, facettenreiches Organ), wohnte aber in punkto Songwriting und Attitüde eher in kleinen Läden mit Herz und Bodenhaftung. Ein Grund, warum die Band beim vergangenen Reeperbahn Festival so vortrefflich in den kleinen Grünen Jäger gepasst hatte und dort ein mehr als denkwürdiges Konzert gab. Klar und auch ahnbar war aber von Anfang an, wo Fatherson mit ihrer Musik hinwollten. Die oben genannten Support-Shows sollten nur Sprungbrett sein, irgendwann möchte man selbst als Headliner oben stehen. Vielleicht ist das der Grund, warum „Open Book“ deutlich offensiver und eingängiger klingt. Schon „I Am An Island“ war vielfach hymnisch und durchaus nicht unpoppig, man nehme Songs wie „Kiteers“, „Hometown“, „I Like Not Knowing“ oder das überragende „James“, aber die Band klang da eben auch noch deutlich rougher und verzichtete auf schlimme Stilmittel wie holzhammerhaft zum Mitsingen animierende „oooh-oooh-ooooooooh“-Chöre, wie sie sie jetzt zum Beispiel auf der Single „Lost Little Boys“ einsetzen. Und auf „Wondrous Heart“, einem überraschend seichten, mit 80s-Pop-Referenzen versehenen Schmeichelsong, der so nicht zu erwarten war und den die Band sich durchaus auch gern hätte schenken können. Doch das ist eigentlich alles schon immer noch Jammern auf hohem Niveau, denn es finden sich immer noch genug wirklich starke Songs auf „Open Book“, die die Platte deutlich von ambitionierten Radioalben abgrenzen. Die Singles „Just Past The Point Of Breaking“ und „Always“ hätten auf dem grandiosen Debüt ebenfalls sehr gut ausgesehen, „Joanna“ ist das Pendant zu „Dust“, die obligate Ballade. Der Titeltrack, „Forest“, „Kids“: Alles tolle Stücke, die aber was die Melodien und die Arrangements (und auch die merkbar sattere Produktion) angeht inzwischen halt auch deutlich mehr nach tatsächlich großer Rockmusik klingen und weit weniger die Brücke zwischen beiden Welten bauen. „Open Book“ ist ein gutes zweites Album, das einen deutlichen Schritt nach vorne markiert, darin aber ein wenig die Angst schürt, man könnte die gerade erst so ins Herz geschlossene Band bald, vielleicht schon beim dritten Longplayer, in Richtung Beliebigkeitspop verlieren. Das wäre wirklich jammerschade.


Text: Kristof Beuthner