Irgendwie kommen wohl gerade bei Nillson die Tage, in denen wir das Gefühl bekommen, es sei zu so ziemlich jedem alternativmusikalischen Genre schon alles gesagt. Stefan ging es so im Singer/Songwriter- und Lasse im Folkgenre. Für den Postrock gilt das vermutlich in noch größerer Konsequenz.
Wie also eine Review verfassen über ein wirklich formidables Album dieses Genres, ohne in großem Maße mit Vokabular aus der Klischeeschublade um sich zu werfen? Fangen wir doch einfach mal ganz vorne an. Es geht um "In Via", das zweite Werk der Hannoveraner Band Frames (übrigens nicht verwandt mit Glen Hansards The Frames, was auf dem englischsprachigen Markt schon für Irritationen gesorgt hat), und auf dem wir Postrock-Zutaten finden, die wir allenthalben mit den Prädikaten "mächtig", "majestätisch", "erhaben" oder "bombastisch" versehen würden. Ohne jeglichen Gesang finden wir hier große, sich auftürmende Soundwände und brachiale Riffs, aber immer wieder auch elegische Phasen voller Größe und Melodieseligkeit. Es könnte jetzt nahe liegen, aufs Neue das Gleichnis mit den musikalischen Gemälden von Landschaften, Sonnenuntergängen und reißenden Gewässern zu bemühen, einfach weil es passen würde und wir garantiert das richtige sagten. Aber für wen klänge das Ganze dann nach etwas anderem als einem weiteren Output von einer von vielen Postrock-Bands? Richtig. Nein, "In Via" muss man sich von einer anderen Seite nähern, einer poetischen. Nicht umsonst wird das Album durch sein erstes und letztes Stück, "Entrance" und "Coda", mit einer Rezitation von Hermann Hesses Gedicht "Stufen" eingerahmt, welches das Leben als große Reise beschreibt und die Rastlosigkeit des Herzens besingt. Es geht um das Altern und darum, dabei frei zu bleiben in seinem Geist und in seinen Entscheidungen; sich nicht in Gewohnheit zu ergehen und zu stagnieren; in jedem Abschied auch einen Neuanfang zu sehen - "Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne" heißt es dort bekanntlich, und "Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde". "In Via" - das ist Latein und bedeutet "unterwegs". Unter diesen Gesichtspunkten offenbaren all die Attribute, die wir diesem Album angedeihen lassen möchten, eine enorme Tiefe; es gerät zu einem Soundtrack, den wir als Untermalung mühelos unter jede in Hesses Gedicht beschriebenen Stufe unseres eigenen Lebens legen würden. Wenn "In Via" das Unterwegssein in nichts geringerem als unserem irdischen Dasein beschreibt, erzählen all seine Ausbrüche und Ruhephasen und all seine Wut und seine Schönheit keine Geschichte über Landschaften, Berge und Täler, sondern über dich selbst. Und vermutlich auch über mich wie über jeden von uns, auf eine immer andere Weise. Instrumentale Musik kann so viel mehr als einfach nur da sein.
Text: Kristof Beuthner