Rezensionen 21.08.2012

Get Well Soon - The Scarlet Beast O' Seven Heads [City Slang / Universal]

Die beiden schönsten Januarmonate waren der im Jahr 2008 und der im Jahr 2010. Denn da erschienen jeweils die beiden ersten Alben von Konstantin Gropper alias Get Well Soon und zogen einen tief hinein in die postweihnachtliche Wintermelancholie, mit düsterer Traurigkeit und majestätischer Feierlichkeit, die einen durch das ganze Jahr begleiteten. Wir waren verloren und zugleich hatten wir einen Retter.

Da spürt man natürlich sofort einen kleinen Stich im Herz, wenn das dritte Werk, episch betitelt mit "The Scarlet Beast O' Seven Heads", im August erscheint, wo es draußen heiß und sonnig und man selbst eigentlich eher glücklich ist. Ist denn jetzt eine Zeit, in der wir Retter brauchen? Ist es der berühmte Fall von der richtigen Platte zum falschen Zeitpunkt? Nicht, dass es Konstantin Gropper interessieren würde. Er ist ein Künstler, kein Crowdpleaser. Dass er eine so große Menge an Menschen mit seiner Musik erreicht, ist ein Glücksfall und doch nicht weniger als eine Begleiterscheinung. Das, was ihn anfixt, was ihn beschäftigt, will in Musik verwandelt werden; es geht primär um den Ausdruck dessen, worum sich eben seine Welt dreht und nicht zwingend die der Zuhörer. Für die ist es nicht weniger spannend, diese Wandlungen nachzuvollziehen; und die schlagen sich natürlich auch in der Musik nieder. Das Album trägt den italienisch übersetzten Untertitel "La Bestia Scarletta Con Sette Teste" und es ist im weitesten Sinne, wie der Name schon erahnen lässt, inspiriert von Dramatik und Epik der italienischen Cinematographie der 50er und 60er Jahre. Das lässt "The Scarlet Beast..." zwangsläufig anders klingen als seine Vorgänger. Es ertrinkt nicht mehr in Seemansromantik und Stoik wie "Vexations", ist nicht so getragen morbide wie "Rest Now...". Das Album wirkt für Get Well Soon-Verhältnisse fast schon exaltiert und ist damit erstmal genauso überraschend, wie in dem Punkt bewundernswert, dass Konstantin Gropper es konsequent vermeidet, sich zu wiederholen.

Dabei sind doch die Zutaten, wenn man es genau nimmt, gar nicht so ungeläufig. Das Album strahlt an jeder Ecke, an jedem Ende vor instrumentaler Überschwänglichkeit. Das Spektrum in der Stimme Groppers scheint breiter geworden zu sein, das Timbre reifer. Es versinkt nicht mehr in Melancholie und Traurigkeit, was nicht bedeutet, dass es nicht mehr getragen wäre von Düsternis und Morbidität, aber es kommt einem heller vor, positiver - trotz der textlichen Thematik, der Illusion des Weltuntergangs, die man an Songs wie "A Gallows" oder "Disney" wohl nicht sofort ableiten würde. Allein daran wird schon deutlich, wie lautmalerisch sich Gesang und Musik immer noch zusammenfügen in der Musik von Get Well Soon. Diese Alben sind Puzzles; man lauscht, aber man begreift nicht sofort; schnappt Textfragmente auf, aber baut sich noch kein zusammenhängendes Gebilde aus ihnen. Grabgesänge wie "A Voice In The Louvre" oder "Your Endless Dream" finden sich hier nicht. Stattdessen swingt es in "Roland I Feel You" und in "Dear Wendy" hören wir knallige Synthie-Sätze im Breitbandformat. Letzteres ist übrigens ein reines Instrumentalstück, das ist neu, davon hat Konstantin Gropper mit "Let Me Check My Mayan Calendar" (und hier wird die Apokalypse dann doch offensiv angedeutet) gleich noch so ein Prachtstück zu bieten. Und das steht dann doch wieder exemplarisch für die große Kunst von Get Well Soon: Das Ende allen Lebens und aller Existenz wird begleitet von jubilierenden Chören und majestätischem Orchester, und während wir unsere letzten Atemzüge tun, erleben wir es als einen wahrhaft epischen Moment, sehen vor dem inneren Auge die schönsten Farbenspiele und fügen uns. Konstantin Gropper: unser Retter. Er inszeniert seine Musik so eindrucksvoll wie eine Oper; wie einen Soundtrack zum Kopfkinofilm, der aber so viel Kunst ist, dass man ihn immer und immer wieder hören muss, um jede Facette, jedes Detail, auch jede Ironie ausgeleuchtet und verstanden zu haben. "The Scarlet Beast O' Seven Heads" ist ein weiterer Beweis dafür, dass er einer der herausragenden Künstler dieser Zeit ist, in höchstem Maße faszinierend und vor allem eines nicht: in eine Kategorie und in ein festgeformtes Raster pressbar. Und wann seine Alben erscheinen, ist - aber in Wirklichkeit war uns auch das schon vorher klar - vollkommen nebensächlich.


Text: Kristof Beuthner