In einem an starken Postrock-Veröffentlichungen reichen Jahr wird das bis dato größte Glanzlicht nicht von den üblichen Verdächtigen gesetzt: Hammocks siebter Streich stellt die Epigonen im Kampf zwischen Licht und Schatten in selbigen.
Vielleicht verbietet sich im freilich weit fassbaren Postrock-Genre auch der Vergleich mit Granden wie Mogwai oder Explosions In The Sky. Möglicherweise ist die Wirkung von „Everything & Nothing“ auch nur so groß für mich, weil ich die Band - ehrlich gestanden - davor gar nicht auf dem Zettel hatte. Was mein Interesse weckte, waren die Lobpreisungen keines Geringeren als Jonsí Birgisson, seines Zeichens Kopf und Falsettstimme der magischen Isländer von Sigur Rós. Dass Birgisson sich selbst wiedererkennt in den sechzehn Stücken, überrascht nicht: Zwar nicht ganz so märchenhaft und weltfern, aber dafür kaum minder sphärisch und elegisch schichten Hammock hier ihre Soundwände aufeinander und transzendieren in einem rauschhaften Mix aus malerischem Postrock und gedimmtem Slowcore.
Das genretypisch vielfach bemühte Bild von Landschaftsromantik aller Art (Naturgewalten, spröde Felsküsten, sich auftürmende Wellen) mag zu der Band aus Nashville, die streng genommen sogar nur ein Duo ist (was bei so viel Grandezza schwer fällt, zu glauben) dabei gar nicht so recht passen. Konzipiert in der Abgeschiedenheit einer Waldhütte in North Carolina wird stets spürbar, dass „Everything & Nothing“ eher wie ein emotionales Reisetagebuch durch das Leben selbst ist. Ein Zeugnis über die Kämpfe, die Menschen in sich austragen, zwischen Licht und Dunkelheit oszillierend; voller Zweifel und vager Hoffnung wird eine Transformation des Ich zelebriert, bei der trotz aller Widrigkeiten nie der Gedanke aufkommt, ein Happy End dieses Prozesses wäre unrealistisch. Hammock klingen auf „Everything & Nothing“ so in sich ruhend und beruhigend, als schilderten sie all ihre Trials und Errors mit einem guten Glas Rotwein in der Hand vom Ohrensessel aus. Der Bericht eines Reisenden, der wohlbehalten auf der anderen Seite angekommen ist. Die andere Seite? Nun ja - Die Platte funktioniert durchaus auch metaphorisch als Reisetagebuch eines erfüllten Lebens in seiner Gänze, an dessen Ende der Tod als erlösende Entität mit offenen und warmen Armen wartet, hinter sich einen Horizont aus gleißendem Gold. „Before You Float Away Into Nothing“ heißt das letzte Stück des Albums, ein letztes Farewell. Davor haben mäandernde Gitarren zu stoisch-dezenter Percussion, flächigen Synthies und nur sparsam eingesetztem, hallig-schwebendem Gesang uns sicherlich nicht das Leben erklärt, aber sie sind ein Gefährte gewesen. Haben ihre Sicht auf Vergangenes und Gegenwärtiges und ihre Hoffnung auf eine noch in der Ferne liegende Zukunft zum Vergleich und als Projektionsfläche angeboten. Wenn „Everything & Nothing“ die Geschichte eines Lebens ist, das mit dem Tod endet, so ist es ein Sterben in purer Schönheit. Bekäme man die Gelegenheit, mit einem Verstorbenen noch ein paar Worte über dessen vergangenes Leben zu wechseln und er legte dabei dieses Album auf - man könnte danach beruhigt einschlafen.
„Everything & Nothing“ ist somit ein gänzlich kathartisches Erlebnis - pure Soundmagie, die sich nachhaltig ins Gedächtnis brennt. Vielleicht ist es das, was die Platte in ihrem Genre dieses Jahr zu so einer unverzichtbaren Perle macht.
Text: Kristof Beuthner