Eine Oase der Kreativität inmitten des großen Breis aus Synthiepop und Langbartfolk: Zwei Jungs aus Bayern zeigen uns, dass man sehr wohl zu zweit die volle Sound-Bandbreite eines Kollektivs wie Efterklang zu erreichen vermag.
Nicht, als hätte man das vorher anzweifeln müssen bzw. sich überhaupt darüber Gedanken gemacht, dass zwei Jungs aus Bayern (of all places) überhaupt die Idee entwickeln könnten, so wie Efterklang zu klingen, was auch wahrscheinlich gar nicht die Absicht war von Christoph Beck und Nico Sierig alias Joasihno. Denn wer nimmt schon Platten auf unter der Prämisse "Komm, lass uns mal so klingen wie Band XY"? Nein: Im Falle des zweiten Albums "A Lie" ist das durchaus aus Kompliment zu verstehen. Und Efterklang muss da nicht das einzige Qualitätsattribut bleiben. Múm und Notwist stehen genauso im Raum, und Christophs Namensvetter Beck hat mit Sicherheit auch Pate gestanden (vgl. "Some Light", übrigens eines der besten Stücke auf dem Album). Die Referenzschublade ist also weit geöffnet, und wenn man das tut, kann man doch eigentlich gar nicht wirklich von Kreativität sprechen, oder? Dass man es aber doch kann, liegt daran, dass die herrlich mäandernden Stücke zwischen Folk-, Gitarren- und minimalstem Elektropop ein absolut wohltuendes Aussteigerprogramm ist für all diejenigen, die einfach keine Bands mit langen Bärten oder anrasierten Schläfen mehr sehen und keine hallig-verhuschten Vocals oder glockenhellen Chöre mehr hören mögen, und es ist die Aufbereitung und die Verbindung bekannter Strukturen zu etwas Neuem. Beck und Sierig vermischen Elemente aus den genannten Genres und Quintessenzen der genannten Bands auf eine so einnehmende Art und Weise zu etwas Spannendem, dass man sich dem Sog, den das entwickelt, nur sehr schwer entziehen kann. Die Musik von Joasihno ist äußerst filigran und detailreich, bewegt sich und füllt Räume, ist entspannt und aufrührerisch zugleich (man höre nur mal dem Song "Oh Boy" zu, wenn er am Ende hinter einem niedlich gepfiffenen Chorus plötzlich ausufert und die Instrumente zu machen scheinen, was sie möchten). Joasihno schicken uns mit ihrer Musik auf Pfade, die es zu entdecken lohnt; sie heben die Vorstellung von Pop in eine Sphäre, in der Liebe zu Schönheit und Harmonie problemlos mit einer gewissen Eckig- und Kantigkeit einhergehen kann und es trotzdem wundervoll klingt. "A Lie" ist eine Platte, mit der man sich lange aufhalten kann, weil es darauf so viel zu entdecken gibt. Verzückend, lärmig, facettenreich, strahlend, energetisch und laid-back: Diese jungen Herren haben ein kleines Meisterwerk alternativer Popmusik auf die Beine gestellt, an dem man in diesem Jahr nicht vorbeilaufen darf. Und sorry nochmals für die vielen Vergleiche: "A Lie" ist so klasse, dass man sie bald nicht mehr brauchen wird.
Text: Kristof Beuthner