Das Duo John Vida aus Braunschweig beobachten wir redaktionsintern ja schon länger mit großem Interesse. Grund? Weil Lennart und Moritz das Kunststück gelingt, durch einen stark eigenen Style das dosenbierschwangere Liedermacher-Genre wieder fresh schmecken zu lassen.
Nach zwei EPs sind John Vida in ihrem Sound angekommen und klingen äußerst selbstsicher. "Unter Wasser" ist der Longplayer, der jetzt raus musste. Die Produktion ist erstaunlich direkt; das Understatement der Instrumentierung ist kaum spürbar, so herrlich satt stampft die Cajon, und immer wieder tragen Background-Chöre den Singsang-Rap Moritz Marders nach vorne in Richtung Eindringlichkeit. Das Songwriting von ihm und Lennart Sörnsen bekommt immer mehr Esprit; es positioniert das Duo in einer eigenen Mitte, fernab von Hipster-Rap-Klonen im Cro-Fahrwasser und nörgelnden Gesellschaftshass-Combos mit einer Vorliebe für Weed und billiges Pils.
Die Zutaten sind mit Cajon (Moritz) und Gitarre (Lennart) dabei nicht das, was ihnen ein Alleinstellungsmerkmal garantiert. Der Sound ist grundsätzlich und geistig näher am HipHop als am akustischen Punk oder am Songwriter-Pop, aber das hebt John Vida auch noch nicht entscheidend ab. Es ist vielmehr die Lässigkeit, sich eines Duktus zu bedienen, der clevere Wortspiele mit pointierter Popkultur- und Lifestylekritik in Einklang bringt und einem nicht die Welt in ihrer ganzen Komplexität erklären will und muss. Es reicht völlig, wenn man halbwegs einen Plan bekommt, was die Menschen direkt um einen herum so treibt und sich verirren lässt. Im Internet ("Frei"), in all der Hektik und der täglichen Überreizung ("Atmen"), dem Geltungsdrang und Mitmachzwang ("Nichts"), der eigenen aufgezwungenen ständigen Selbstreglementierung, sogar - und da wird's dann doch global - in Weltuntergangsangst ("Vulkan"). Denn das ist wahrhaftig schon kompliziert genug. Gute Gedanken und treffende Beobachtungen statt Klugschnackerei, Hobbypsychologie oder aufgesetzter Herzscheisse, die nur dazu da ist, die Crowd zu pleasen: Das sind zwingende Argumente. Das nimmt man diesen Jungs ab. Und zwischendurch feiern sie mit "Melodie" einfach nur die Musik.
Das verleiht "Unter Wasser" großes Identifikationspotenzial, denn es nimmt thematisch nicht nur die jugendlichen Nachdenker, die Studis und die Abiturienten mit, sondern holt auch die ab, die es mal waren, jetzt im Leben stehen und trotzdem das Herz am richtigen Fleck behalten haben. Die Themen sind uns nahe, und Moritz Marder ist ein glaubhafter Speaker. So funktioniert gute Musik. Wir werden nicht aufhören, John Vida zuzuhören.
Text: Kristof Beuthner