Für die, die's noch nicht verinnerlicht haben: wenn etwas niemals aus der Mode kommen kann, dann ist es Retrosound. Ist ja ganz gleich, auf welche Phase des musikalischen Wirkens sich bezogen wird; es wird immer eine Generation geben, der nützliches Wissen fehlt, bzw. deren eigenes Hörverhalten geschult und geprägt werden will. Freilich braucht man dafür einen adäquaten Anstoß. Für Popsweetness der späten 70er und frühen 80er Jahre nehme man heute: Jonquil aus Oxford.
Deren mittlerweile drittes Album "Point Of Go" ganz furchtbar entzückend in der Schatztruhe der Grenzwertigkeiten wühlt. Und weil es selten vorkommt, dass "entzückend" und "grenzwertig" in einem Satz im gleichen Zusammenhang auftauchen, lohnt sich ein noch genaueres Hinhören. Denn so glatt diese Platte auf den ersten Blick klingt, so sehr hakt sie sich auch in den Gehörgängen fest. Das Quartett musiziert sich fröhlich durch die Referenzschubladen, siehe Earth Wind & Fire, Fleetwood Mac oder Prefab Sprout. Heißt: wundervolle Harmonien mit leichter Folkpoptendenz, vorgetragen mit glasklarer Stimme mit Hang zur Exaltiertheit und viel Schmelz, aber eben weit genug weg vom Kitsch, um das schamlos gut zu finden. Denn, und das ist ja das eigentliche Geheimnis dieses ganzen Retro-Sound-Wahnsinns: die Kunst besteht darin, das Ganze auf ein zeitgenössisches Level zu führen, die Quintessenz aus dem Alten beizubehalten und es fürs interessierte Jetzt appetitlich aufzubereiten. Im Falle von Jonquil passiert das in Form von hier und da dezent treibenden Elektrobeats, wie wir sie in dieser Intensität zuletzt von der Band Delphic serviert bekamen. Und wenn man sich jetzt vorstellt, Tom Chaplin von der Band Keane würde bei besagten Delphic am Mikrofon stehen und ein Wörtchen im Songwriting mitzureden haben, dann kommt man dem Sound von Songs wie "Swells", "Run" oder "Mexico" schon sehr nahe. Das ist zwar zu keinem Zeitpunkt wirklich spektakulär, wird aber durch seine Exaktheit und diese Verliebtheit in Melodie und guten Song tatsächlich zu einem Ereignis und ist unterm Strich ein wirklich schönes, auch mehrere Hördurchläufe lang absolut hörenswertes Album.
Text: Kristof Beuthner