Rezensionen 31.07.2012

Kurzkritiken #20: The Temper Trap, Metric, Tube & Berger, The Very Best u.v.a.

Zeit für eine neue Runde Shorties! Die Plattenkiste, die sich heute öffnet, ist ein eindrucksvoller Beweis dafür, dass das vielzitierte musikalische Sommerloch zwar existiert, aber längst nicht so schlimm ist wie allgemein angenommen. Beweise für beide Thesen präsentiert Ihnen, geneigte Leserschaft, nun: Ihr Kurzkritiker.

The Temper Trap - The Temper Trap [PIAS / Rough Trade]

The Temper Trap aus Melbourne erlebten vor drei Jahren mit ihrem Debüt "Conditions" etwas schönes: Sie waren ein Next Big Thing, dessen Output aber nachhallte und nicht nach Abfallen der Hype-Hochzeit wieder verschwand. Bei Album Nummer 2 dürfte sich vor allem das Standing in der Nische zwischen Radio und Rockclub verbessern, denn mit kleiner Geste ist auf "The Temper Trap" nicht mehr viel los. Statt dessen hören wir breite Soundwände, viel Synthetik, große "Whoooo"-Chöre und einfach Melodien, die dazu gemacht sind, von vielen Menschen gehört zu werden. Das meine ich aber keineswegs despektierlich: Hier wurde zielsicher Hand angelegt; man hat sich drei Jahre Zeit genommen und ein gutes Rock-Pop-Album gemacht, das keinen Innovativitätspreis gewinnt, aber über die volle Distanz sehr ordentlich unterhalten kann und einen klaren weiteren Schritt in der Bandkarriere markieren dürfte.

Metric - Synthetica [PIAS / Rough Trade]

Nochmal PIAS, diesmal Toronto-based: Metric sind zurück und erleben, das man sich auf ihr neues Album "Synthetica" außerordentlich gefreut hat. Und das reduziert sich definitiv nicht auf den Fame nach dem "Twilight"-Song, weil Metric einfach mehr zu bieten haben. Wer das letzte Album "Fantasies" kennt, weiß das. Emily Haines und co. haben gute Vorarbeit geleistet, sich in die Herzen der Hörer gespielt und legen nun das Album vor, das ihren Stand festigen soll. Das dürfte ohne weiteres gelingen, weil die Band so ziemlich jede ihrer Stärken noch ausgebaut hat und hochklassig ausbaut. Das heißt: künstliche, sehr Synthie-getragene Indiepopsongs mit tollen Gitarrenläufen und eben Haines' wunderbarer Stimme, die den elf Stücken eine sexy Kühle verleiht. Und, und das ist der wichtigste Grund, warum "Synthetica" so gut funktioniert: Metric haben tolle Songs im Gepäck, die mitreißen und denen man einfach gerne zuhört. Auch hier gilt: Die Band markiert einen weiteren Schritt in ihrer Karriere und wird wieder ein Stückchen größer.

I Am Oak - Nowhere Or Tammensaari [Midsummer / Cargo]

Leider hat man in den letzten Jahren so viele herausragende Veröffentlichungen aus dem Folk-Sektor gehört, dass sich (schon länger) ein wenig Übersättigung eingestellt hat. Das ändert nichts daran, dass eine gute Platte eine gute Platte bleibt, aber man neigt im Vorfeld schnell zu Ungerechtigkeiten. I Am Oak sind somit auf den ersten Blick eben leider nur "just another folk band", aber ihr "Nowhere Or Tammensaari" ist wirklich schön geworden und ausnehmend ohrenschmeichelnd. Es bietet eben all das auf, was Folkplatten funktionieren lässt: Weiche Instrumentierung, naturbelassen und ohne unnütze Schnörkel; Vocals zwischen wonniger Wärme und glockiger Helligkeit; Melodien, die teils klar, teils schwebend wehmütig sind. Wunderschöne Harmonien, Kopfkino von Bäumen und Bärten, alles ist dabei bei I Am Oak, und trotzdem lässt sich befürchten, dass die Platte nicht mehr so wahrgenommen wird, wie sie es verdient hätte - und wie es ihr widerfahren wäre, wenn man zusammen mit der Phalanx (Fleet Foxes, Mumford & Sons etc.) zeitgleich erschienen wäre. Aber es bleibt unumwunden: "Nowhere Or Tammensaari" ist äußerst hörenswert.

Silversun Pickups - Neck Of The Woods [Warner]

Die Silversun Pickups sind zurück. Und möchten endlich raus aus dieser ewigen Geheimtipp- und Vorband-Nische, die ihnen bis dato inne war. Qualität war auf den beiden Vorgängeralben unüberhörbar vorhanden, der ganz große Wurf war ihnen aber bisher nicht gelungen. Nun legt die Band aus Los Angeles mit "Neck Of The Woods" einen neuen Versuch vor. Ob der ihnen mehr Erfolg verspricht, ist fraglich - um in mainstreamige Gefilde vorzudringen ist die Musik der Pickups, angesiedelt zwischen Folk-Schönheit und Sonic-Youth-Roughness, schlicht zu komplex; Szenekenner haben aus dieser Richtung andere Bands auf dem Zettel, die ihr Handwerk präziser verstehen. Trotzdem ist "Neck..." ein gutes, stimmiges, rastlos wirkendes Album geworden, das nie stillsteht und einen von einer Ecke in die andere schubst. Songs wie "Bloody Mary" sind richtig klasse. Um das Album aber auf den Merkzettel zu schreiben, hat auch Brian Auberts Leadstimme einfach zu wenig Aussagekraft. So bleibt unterm Strich wenig hängen, und das ist schade.

Tube & Berger - Introlution [Kittyball / Intergroove]

Mit Tube & Berger geben sich zwei Ikonen der Clubmusik die Ehre und legen ihr erstes Album vor. Das ist häufig eine sehr haarige Angelegenheit. Denn wer ein guter DJ ist und Leute mit Musik fremder Künstler zum Tanzen bringt, ist nicht zwangsläufig ein guter Musiker. Die Idee hinter "Introlution", Club- und Dancemusik "organisch" klingen zu lassen, geht aber bei Tube & Berger, nicht zuletzt wegen einer ganzen Riege exzellenter Gastmusiker, voll auf und klar. Die fünfzehn Stücke bewegen sich zwischen ruhigem Downbeat und dezent treibendem Dancefloor und haben einen äußerst entspannten, sehr pointierten und stilsicheren Flow. Hier und da gibt es die ein oder andere 80er-Referenz, aber das bleibt die Ausnahme. Für mich persönlich am schönsten ist, dass trotz ihres durchaus gegebenen und nicht unbeträchtlichen Standings im Mainstream ihr erstes eigenes Album sehr eigenständig und unanbiedernd geworden ist. Alles schön tanzbar, aber auch relaxt genug für den Heimgebrauch. Ein feines Stück Musik.

The Very Best - MTMTMK [Moshi Moshi / Coop / Universal]

Mittlerweile redet kaum noch jemand über das Phänomen Afrobeat, einfach weil durch dessen Hypewerdung der Weg frei war für authentische, afrikanische Musiker und ihre Variationen von Popmusik. Eine interessante Version kam bereits im Jahr 2009 vom malawischen Sänger Esau Mwamwaya und dessen Projekt The Very Best; nun legt er mit "MTMTMK" nach. Und wieder ist es reichlich spannend geworden. Eine wundervolle Symbiose aus Afrobeat und elektronischer Musik ist das, gelegentlich mit Anleihen aus Townhip und Baile Funk, ein großer Schmelztiegel. Der hier wieder außerordentlich tanzbar und mitreißend gelungen ist. Vielleicht haben sich die Hörgewohnheiten da mittlerweile angepasst, aber "MTMTMK" wirkt zu keinem Zeitpunkt fremdklingend, sondern geht schnell ins Ohr und in die Beine. Liegt sicherlich auch daran, dass die Songs teilweise in englischer Sprache gesungen werden. Möchte man ein Manko finden, dann läge es in der hin und wieder zu großen Nähe zu Ethno-Folkpop mit Discobeat, wie auf dem knalligen "Kondaine".

Reverend & The Makers - @Reverend_Makers [Cooking Vinyl / Indigo]

The Rakes. The Rifles. The Enemy. The Blood Arm. The View. Was haben diese Bands mit Reverend & The Makers gemein? - Sie alle bekommen/bekamen regelmäßig gute Plattenkritiken, oder sagen wir: zugetane Plattenkritiken, und doch bleibt/blieb ihnen der große Durchbruch verwehrt, weil ein Quäntchen irgendwas fehlt. Was macht ein Album wie "@Reverend_Makers" zu einem hätte-wenn-Album? Ist doch alles da; Melodien zum Mitmachen, satte Elektrobeats - will man so was nicht? Der Teufel steckt vielmehr im Detail bei den Herren aus Sheffield. Elektronik wollen sie auf ihrem neuen Wurf zu viel, Catchiness auch; die Songs sind catchy, aber nicht packend, die Melodien nachvollziehbar, aber eben zu einfach; die Beats knallig, aber wenig originell. Das hier wird seine Befürworter finden, aber es werden eben wieder nicht so viele sein, dass es Reverend & The Makers hilft, sich in irgendeiner Form in den Fokus zu spielen. Und wenn man sich das so vier, fünf Songs lang angehört hat, ist das irgendwie nicht einmal schade.

Mary Epworth - Dream Life [Rykodisc / Warner]

Ein schönes Album braucht eigentlich gar nicht viel. Es muss nicht mal neu klingen, die Hauptsache ist die Qualität, das Songwriting, der Schmiss. Gerne auch die Referenzvielfalt. Mary Epworth macht da auf "Dream Life" reichlich richtig: sie mischt nämlich auf durchaus einnehmende Weise Sixties-Soul, sonnige Popharmonien, Dreampop und Fuzz-Gitarren zu einem Hybriden, bei dem man sehr wenig anderes tun kann als lang und breit zu grinsen. Es macht eben einfach Spaß, der Dame beim Zusammenschustern ihrer elf Konstrukte zuzuhören, und es lässt sich wohl nachvollziehen, dass auch sie dabei nicht unbeträchtlichen Spaß empfunden haben mag. Die Presseinfo erzählt von einem langen Weg verschiedenster musikalischer Einflüsse zwischen Metal und den Beach Boys aus Familie und Freundeskreis, und genauso klingt die Platte - nach einem höchst selbstbewussten Stilmix aus Freude an der Musik, mal hymnisch, mal zurückgezogen, mal exaltiert, mal introvertiert. Alles kann, nichts muss, und das macht "Dream Life" zu einer wirklich faszinierenden Scheibe.

 

Text: Kristof Beuthner