Weniger Elegie, weniger Spuksounds, dafür mehr Bombast, mehr Soundwände und Shoegaze: Auf ihrem zweiten Album bewegen sich Lanterns On The Lake auf den Pfaden der schmerzlich vermissten Gregor Samsa.
Und es ist beileibe nicht so, als hätte man diese Entwicklung erwarten dürfen, müssen oder wollen, denn das Debüt der Band namens "Gracious Tide, Take Me Home" ließ vor zwei Jahren eigentlich auch schon kaum Wünsche offen mit seinem sehr unterschätzten Stilmix aus Sigur Ros-Romantik und Minimalfolk. "Until The Colours Run" ist nun ein deutlicher Schritt aus dem Schatten, nein besser: Aus der Stille heraus. Lanterns On The Lake beweisen Mut: Mut zur Lautstärke, Mut zur großen Geste, Mut zum Zupacken. Und tatsächlich auch zum Pop. Denn auch das ist eine Entwicklung: Die neun neuen Stücke preschen weit offensiver in Richtung unserer Ohren, sind direkter und weit weniger weltfern. Das liegt auch auf dem größeren Fokus auf die Vocals, vor allem aber liegt es daran, dass man aufgehört hat, still zu schwelgen und mit Bombast, etwas mehr Tempo, breiten Synthies und einer Prise Zugänglichkeit ganz deutlich die Flucht nach vorne sucht. Und das Quartett um die wundervolle Stimme von Hazel Wilde ruft damit - wie erwähnt - ganz nebenbei Erinnerungen an die arg vermissten Romantiker von Gregor Samsa wach. Diese Melancholie, diese sich auftürmenden Songs mit diesem entrückten und zerbrechliche Gesang; die große Tiefe und die so bescheiden harmlos wirkende Niedlichkeit; all das entwickelt zusammen einen Sog, wie wir ihn vom letzten Album der Samsas, "Rest", noch gut im Ohr und im Herz tragen. Doch "Until The Colors Run" ist glücklicherweise stark genug, um Erinnerungen zu wecken ohne in die Epigonenschublade gesteckt werden zu müssen. Schon der Opener "Elodie" hat einen sofort auf seiner Seite und seiner Seite allein; "The Ghost That Sleeps In Me" ist ein zwischen Spieluhr und "Kveikur" changierendes Goldstück; a propos Gold: "Green And Gold" ist eine herrlich mäandernde Pianoballade und das bittersüße "Our Cool Decay" bringt die Platte nach Hause.
Es ist gut, dass die Band diesen Schritt getan hat. Die Band vergibt sich durch das Zufügen von Poppigkeit nicht das Geringste; wird vielmehr einer weit größeren Masse an Menschen Augen und Ohren öffnen, ohne sich in irgendeiner Form anzubiedern. Ein wirklich tolles Album.
Text: Kristof Beuthner