Geht euch das auch manchmal so? Da denkt man, man habe aus Island schon so viel Musik gehört, dass einen eigentlich gar nichts mehr wirklich begeistern dürfte. Erfreuen, okay, aber was ist eine Flamme gegen eine Explosion?
Und so kamen die jungen Herren von Lockerbie daher und machten mir den Frühling. Einfach so, mit ihrer Single "Laut", die so sehr strahlt und nach außen drängt, als wollten all die Frühblüher auf einmal gleichzeitig in vollem Glanz die Erde verlassen und nach oben schweben. Und ich gestehe: damit habe ich nicht gerechnet. Die Quintessenz dieser Band und ihres ersten Longplayers "Olgusjór" liegt darin, dass sich hier einige der schönsten Dinge der Musikwelt treffen: schwelgerischer Postrock; klarer, heller Folk und eine gute Prise Pop. Doch vor allem und über allem: die isländische Sprache, sinnbildlich für eine ungreifbare Seltsamwelt und somit so ziemlich jeden Release aufwertend, da das Nichtverstehen der Lyrics für jedwede unserer Interpretationen offen ist. Das funktioniert bei Sigur Rós seit Jahren; das hat auch bei den Mädels von Pascal Pinon funktioniert und ein Album, das im Grunde nur aus Gitarren, einem Glockenspiel und Blockflöten besteht, zu einem winterlichen Wunderwerk gemacht. Damit will ich aber nicht sagen, dass der Sound von Lockerbie ohne die Island-Komponente weniger wert wäre. Die bereits aufgeführten musikalischen Zutaten werden auf "Olgusjór" so stimmig miteinander verbunden, dass es selbst instrumental eine helle Freude wäre. Es jubiliert, es treibt an jeder Ecke; dieser Sound ist energetisch und klar, er umarmt dich lang und innig und rennt dann wieder los in die Sonne. Und wie gesagt, auch für Liebhaber klarer, einprägsamer Popmelodien haben Lockerbie was im Gepäck. Die Single "Laut", vielleicht sogar noch mehr das zackige "Í draumí" schmeicheln sich herrlich ins Ohr und hinterlassen einen glücklich. "Olgusjór" ist ein Album, das es auf äußerst gekonnte Weise versteht, Klarheit und Helligkeit darzubieten und sich trotzdem durch immer wieder hektische, unstete Drums nicht darin zu aalen. Das Album ertrinkt nicht im Schönklang, es gibt so viel zu entdecken. Jetzt werden vielleicht wieder einige "Ach, der wieder mit seinen Jahreszeiten!" stöhnen, aber: Lockerbie haben ihn geschaffen, den einzig wahren Soundtrack für den Frühling. Und darum gehe ich jetzt in die Sonne, diese Platte auf den Ohren. Takk!
Text: Kristof Beuthner