Rezensionen 06.11.2012

Mando Diao - Infruset [Vertigo / Universal]

Warum macht der das? Was gibt es tatsächlich zu einer neuen Scheibe von Mando Diao zu sagen? Diesen schwedischen Posterboys, die sich mit ihrem Charthit "Dance With Somebody" und dem vollkommen überschätzten Projekt Caligola mit Anlauf in die Egal-Ecke bugsiert haben?

Kurz zur Auffrischung: Das erste Album "Bring 'em in" strotzte vor Garagenrock-Energie und tollen Songs, das zweite, "Hurricane Bar", war randvoll mit Hits. Es folgte das übermotivierte "Ode To Ochrasy" und das von der Kritik geliebte, aber von den Fans geschmähte "Never Seen The Light Of Day". Dann "Give Me Fire", das der Band den genannten Nummer-eins-Hit bescherte, sie aber gleichzeitig durchfallen ließ. Die Brüder Norén hatten mit dem folky Sound von "Never Seen..." eine Seite an sich offenbart, die sie als musikalische Kreativköpfe zeigte. Und plötzlich waren sie in it for the simplicity, gar in it for the money, war zu befürchten. Der Ruf litt gewaltig. Nun erscheint mit "Infruset" die wohl unwahrscheinlichste Folgereaktion der Schweden. Denn man hatte mit vielem rechnen dürfen, mit Stadionrock oder zumindest einer Kollaboration mit irgendeinem R'n'B-Star, um den Chartserfolg zu wiederholen. Statt dessen sperrte sich die Band in eine Scheune in der Heimat und nahm dort zehn Vertonungen von Poesie des schwedischen Dichters Gustav Fröding auf. Auf schwedisch. Mit wieder deutlich organischerem Sound, weg vom synthiegetriebenen Poprock des Vorgängeralbums. Und da tun Mando Diao das einzig richtige, wenn man ehrlich ist. Zumindest, wenn es ihnen darum geht, künstlerisch wahrgenommen zu werden. Schwedisch ist als Popsprache keineswegs in unseren Ohren; da hören wir sogar isländischsprachige Alben öfter. Das ist interessant durch seine Ungewohntheit. Die Rückkehr zur Naturbelassenheit, zu einem folkinspirierten Sound mit mehrstimmigem Gesang und sparsamerer Instrumentierung wie auf "Never Seen The Light Of Day" knüpft auf erfreulichste Weise dort an, wo dieses Album aufgehört hat und von der Belanglosigkeit abgelöst wurde. Das tut Mando Diao gut, und wenn man irgendwie im Hinterkopf hat, wie die Band bei MTV Unplugged ihre eigenen Stücke in handgemachte Folkrock-Songs dekonstruierte, dann weiß man, dass ihnen das ausnehmend gut steht. Und darüber lohnt es sich definitiv zu sprechen. Das Songwriting steht wieder im Zeichen der 60er Jahre. Es ist durch seine Rückkehr zur Reduktion auch keineswegs weniger melodieselig oder einnehmend, aber "Infruset" ist kein Crowdpleaser. Durchweg im Down-, maximal in gemäßigtem Midtempo, ist es eins zum Hören, keins zum Tanzen. Es zeigt eine Band auf einer Schaffenshöhe, in der sie seit zehn Jahren im Geschäft ist, in dieser Zeit viel erreicht hat, Hits geschrieben und große Bühnen gefüllt. Mando Diao machen nicht den Fehler, immer mehr zu wollen und in der Unnötigkeit zu verschwinden, sondern sie gönnen sich den Luxus, ein Album aufzunehmen, auf das sie spürbar Lust haben. "Infruset" ist vermutlich die überraschendste Platte des Jahres und könnte die Band zurück in die Herzen der Kritiker spielen.


Text: Kristof Beuthner