Rezensionen 09.01.2016

Matt Simons - Catch & Release [PIAS / K.T. / Rough Trade]

Läuft ganz gut für Matt Simons: Er ist der nächste in einer inzwischen langen Kette von Songwritern, die ein House-Remix eines ihrer Songs an die Spitze der Hitlisten katapultierte. Grund genug, das dazugehörige Album nach einem Jahr einfach mal neu zu veröffentlichen.

Ich persönlich frage mich immer, ob das eigentlich Fluch oder Segen ist. Kommt halt darauf an, von wo man schaut. Das funktioniert so: Ein House-Produzent bedient sich in der alternativen Songwriter-Szene, sucht sich ein Stück mit melancholischem Gesang aber einprägsamer Melodie, bastelt gefühlige Beats darunter und fertig ist die Popnummer, gemütlich in die Schnittstelle zwischen Mainstream und Indie gebettet; so feingespült, dass Radiohörer, Discomenschen und Freunde der ruhigen Töne sich gleichermaßen eingepackt fühlen können. Im Idealfall rückt ein solcher Remix den Künstler in den Fokus und verhilft ihm zu mehr Wahrnehmung – gut für den Künstler. Im Negativfall peilen Musikszenenverständige die Masche sofort und sind davon derart abgestoßen, dass sie keine Lust mehr haben, sich das Album anzuhören – kann dem Künstler aber egal sein, weil er ja jetzt so viel Wahrnehmung bekommt, dass er die indielektuellen Zweifler und Naserümpfer gar nicht mehr braucht. So gesehen ist die Frage, was Matt Simons‘ „Catch & Release“-Album taugt, vermutlich insofern obsolet, da es – zumal auf der Wiederveröffentlichung der eigentlich schon vor einem Jahr erschienenen Platte natürlich der Deepend-Remix des Titeltracks als Zugpferd nicht fehlen darf – sicherlich im Zuge dessen von denen gekauft wird, die auch Ed Sheeran und Konsorten gerne zuhören. Und machen wir uns nichts vor, vermutlich würde diese Rezension auch gar nicht hier auftauchen, wenn uns das Album nicht durch den großen Erfolg des Remixes wieder in die Hände gefallen wäre. So weit, so gut – doch wissend, dass der durch den einen Hit entstandene Fame gerade bei respektablen und musikalisch wertigen Künstlern häufig auch wiederum so gar nichts für die Strahlkraft des Longplayers bedeutet, weil die anderen Songs den einen chartstauglichen Track übertreffen, hören wir natürlich doch rein. Aber es wird schnell klar, warum die Platte im Januar 2015 so spurlos an uns vorbeigegangen ist: Weil nämlich auch die anderen zehn Stücke (nein, eigentlich sind es dreizehn andere, denn um nicht nur den Remix zum Kaufgrund zu machen, sind noch drei weitere, zuvor unveröffentlichte Stücke auf dem Re-Release zu finden) zwar mit Gitarren, Klavier, Streichern, soften Beats und satter Percussion schön und weich produziert sind, aber insgesamt lediglich okayer Songwriter-Pop; zum einen Ohr rein und zum anderen wieder herausgehen und somit wie handgegossen sind fürs weite Formatradioland. Zu slick, zu vorhersehbar sind die Melodien; Beatles-eske Nummern wie das schwelgend-kratzige „It’s Not Enough“ oder das dezent angejazzte „Weight On Me“ sind da leider die Ausnahme und reichen nicht aus. James Morrison, Kelvin Jones und Lukas Graham sind noch so Namen, die man neben dem unvermeidlichen Sheeran liest, wenn einem die „Andere kauften auch“-Leiste auf Simons‘ Artikelseite präsentiert wird. Alles Künstler, die man auf Festivals in der Pop-Ecke entdeckt hat, die vorzugsweise von Mädchen romantisch gefunden werden, denen aber zu wirklicher Erdung schlicht die Tiefe in Texten und Songwriting fehlt, weswegen man lieber zum xten Mal Conor Oberst oder Bonnie ‚Prince‘ Billy hört. Matt Simons freilich wird das wenig interessieren – seine erste große Headline-Tour steht an, das Album wird sich verkaufen und die Newcomer-Preise werden gut aussehen in seiner Vitrine. Vielleicht weiß jetzt aber der ein oder andere, dass er dieses Album nicht unbedingt braucht, um a) etwas nachzuholen oder b) 2016 musikalisch glücklich zu werden.

P.S.: Der Hit ist ohne House viel besser. Need I say that?


Text: Kristof Beuthner