Rezensionen 12.11.2013

Midlake - Antiphon [PIAS / Coop / Bella Union / Rough Trade]

Ich weiß nicht, was es ist, das uns Musikmenschen immer nach dem geeigneten Soundtrack für bestimmte Zeiten suchen lässt. Vielleicht suchen wir auch gar nicht, vielleicht finden wir einfach, weil sich Musik und Zeit immer so gut zusammen fügt in manchen Momenten. Doch eines wissen wir aus langer Such- bzw. Findeerfahrung: Herbst und Midlake, das passt.

Also war die Erwartung an das neue Album der Texaner namens "Antiphon" natürlich riesig. Raus aus dem nasskalten Niesel, rein in den Lieblingssessel; Kopfhörer, Wolldecke, heißer Tee. Hat bei "Bamnan & Slivercork" funktioniert und auch bei "The Trials Of Van Occupanther", diesem irrsinnig psychedelisch-sanften Doppel aus den Jahren 2004 und 2006, das die Band in den Fokus aller Bescheidwisser und Wohlgeschmäckler katapultierte. Und fast noch besser funktioniert hat es beim vor drei Jahren erschienenen "The Courage Of Others", das einen deutlichen Schritt in Richtung Eingängigkeit machte und durch berückende Schönheit und Traurigkeit bestach, weit organischer als die Vorgänger, verträumter. Eine ständige Steigerung war da und eine große Bandbreite einer begnadeten Band.

Für "Antiphon" wurde nun ein wenig rotiert. Sänger Tim Smith verließ Midlake im vergangenen Jahr; Gitarrist Eric Pulido steigt zum Hauptvokalisten auf. Das schöne ist: Man hört es gesanglich kaum. Die Art zu betonen, dieses Schleppende, auf den ersten Blick Monotone in der Stimme ist geblieben. Und auch sonst sind die neuen Facetten, die Midlake auf ihrem vierten Album offenbaren, überschaubar. Es ist sicherlich das bisher am wenigsten sperrige Werk der Band, und das ist beim ersten Hören insofern zunächst negativ überraschend, da der Titeltrack und zugleich der Opener einem zwar sofort ins Ohr geht, man diesen Effekt von einer Band, die zuständig ist für Grower, aber gar nicht haben will. Doch das macht dann die Platte dann auch wieder doch zu einer, die wächst. Weil der Sound organischer ist und purer als auf den anderen drei Alben; weil es typisch nach dem bandeigenen Stil klingt und sich doch merklich öffnet; weil es auch positiver klingt als "The Courage Of Others", aber auch bei weitem nicht mehr so verspielt ist wie die ersten beiden Longplayer.

Midlake entwickeln sich weiter und "Antiphon" ist ein guter Beweis dafür. Das Songwriting ist nach wie vor stark und zupackend, und dass es die Band sogar schafft, trotz größer gewordener Eingängigkeit erst einmal wieder zu verwundern, ist ein klares Zeichen für ihre Klasse. Mittlerweile zum Sextett gewachsen, bewegt sich die Band und verändert sich, verwirft Strukturen und eröffnet sich neue, bleibt sich treu und doch in sehr angenehmem und erfrischendem Maße unberechenbar. "Antiphon" ist so gesehen mehr als ein einfacher Herbstsoundtrack. Es ist ein tolles viertes Album einer tollen Truppe. Auch, wenn dieser Sound natürlich in diese kalte Zeit nach wie vor einfach prima passt.


Text: Kristof Beuthner