Es ist eine gute Zeit für Klaviermusik, für Neo-Klassik. Tatsächlich scheint sich dafür mittlerweile ein Gehör zu finden; eine Nische im Indie-Sektor, in die auch Außenstehende gerne folgen. Es hat sich bis in erweiterte Hörerkreise herumgesprochen, was für wundervolle Musik beispielsweise Olafur Arnalds und Nils Frahm spielen; Ludovico Einaudi hat nicht zuletzt mit seinem Piano-Soundtrack zum Kinoerfolg "Ziemlich beste Freunde" für Auszeichnungen und Jubel gesorgt.
Und so findet mittlerweile eine schöne Bandbreite zwischen reinem Piano und dessen Anreicherung durch allerlei flächiges, synthetisches Beiwerk und atmosphärische Klangwelten mit Nähe zum Postrock, wie wir es auch bei A Winged Victory For The Sullen hören können, Gehör und den Weg ins Licht. Doch nicht nur das tolle Erased Tapes-Label leistet hier Pionierarbeit und veröffentlicht Perle um Perle, auch die kleinen Plattenfirmen überzeugen mit Liebe zum Detail und musikalischer Unfassbarkeit. Wie auch Sonic Pieces, das uns vor einiger Zeit einen Schatz namens Moon Ate The Dark zum Bergen preisgab. Es handelt sich hierbei um die walisische Pianistin Anna Rose Carter und den Produzenten Christopher Bailey, die auf dem nach dem Projekt selbst benannten Album eine Traumwelt zwischen repetitiven Klaviermustern und traumwandlerischen, nicht selten auch seltsam verstörenden Soundscapes kreieren. "Moon Ate The Dark" besteht aus sieben Stücken, die den Titel des Albums klanglich untermalen und umschreiben, die in ihrem Aufbau oft verloren wirken und seltenst nachvollziehbare Melodiebögen formen, die sich atmosphärisch zwischen Optimismus und Furcht, zwischen Nachtschlaf und Insomnia bewegen. Sie tragen Namen wie "Explosions In A Four-Chambered Heart", "Messy Hearts" und "Sleepwalks" und beherbergen eine Tiefe, der man sich - lässt man sich darauf ein - kaum entziehen kann. Einzelne Phrasen wiederholen sich, Töne gesellen sich im Hintergrund dazu und werden wieder entfernt. Es herrscht eine Form von Melancholie, aus der jeder seine eigene machen kann, in die jeder Hörer sein eigenes Stück projizieren darf, seinen eigenen Gedanken einbringen in schlafloser Nacht. "Moon Ate The Dark" ist durch seine tiefe musikalische Schönheit und durch seine Macht der Suggestion, der jeder Geneigte beiwohnen darf, ein absoluter Hochgenuss, der es einem nicht einfach macht, aber in jeder Sekunde für die Mühe und die Zuwendung fürstlich belohnt.
Text: Kristof Beuthner