Müsste ich in diesem Jahr ein Lieblingslabel küren, es wäre mit Sicherheit Topshelf Records aus San Diego. Die Kalifornier sind mir eigentlich eher zufällig untergekommen, bilden aber zusammen mit Jeremy Records und Count Your Lucky Stars eine sich höchst stilsicher ergänzende Label-Allianz.
Alles fing damit an, dass ich vor kurzem entdeckte, dass Emo wieder da ist. Nicht der schlimme angemalte, sondern der Gute, der von um die Jahrtausendwende. Auch das geschah eher zufällig, und plötzlich tauchten da Bands wie Dikembe, Joie de Vivre, You Blew It! oder Empire! Empire! (I Was A Lonely Estate) in meinem Radar auf und sorgten für etwas, dass ich in der hipnessschwangeren Indiepop- und Folk-Mischpoke, die mit einem Auge auf Charts und Bekleidungs- oder Mobilfunkwerbespots spekuliert, zuletzt immer mehr vermisst habe: Magische Momente. Musik zum mit offenem Fenster Auto fahren, den kleinen Breakdown oder das Bier mit Freunden im Club, der noch Rock spielt zu Songs, die wir lieben. Denn natürlich berufen sich all diese Bands auf Altbekanntes, aber sie heben den emotionalen Gesang mit den wunderbaren Harmonien zu den harten Riffs, wie wir ihn von Bands wie Taking Back Sunday, Jimmy Eat World oder Sunny Day Real Estate in unser Herz geschlossen haben, mit enormer Klasse und Spielwitz ins Jetzt.
Nai Harvests Album "Hairball" schlägt dabei eigentlich gar nicht in diese Kerbe, sondern macht in anderer Hinsicht vieles richtig. Ben Thompson und Lew Currie sind die einzigen Mitglieder der Band, und ich brauche ja nicht noch einmal sagen, wie unglaublich ich finde, was zwei Menschen an Instrumenten für eine Wucht entwickeln können. Das weiß man spätestens seit den Japandroids überaus genau. "Hairball" ist das zweite Album des Duos, und es baut eine herrlich wild schwankende Brücke zwischen Emo, Indierock und Shoegaze, tief verwurzelt in den 90ern. Das macht jede Menge Krach und rumpelt an jeder Ecke, hat ständig den Fuß am Gaspedal ist wunderbar nostalgisch und naiv. Solche Musik müssen wir wieder öfter hören, vielleicht überlegen wir uns dann, dass das Leben mehr für uns bereit hält als Erwachsenwerden und ähnliche Schreckgespenster. Doch neben all dem Lifestyle, der einem wieder einfällt, hat "Hairball" auch noch eine ganze Reihe Hits am Start. Man nehme Songs wie "All The Time" oder, am meisten, das treibende "Buttercups" - wunderbar hibbelige Rockmusik, zu der sich ganz vortrefflich Poster an die Wand hängen lassen und zu der man gerne Bier trinkt und tanzt.
Band und Label sollte man sich in diesem Jahr ganz dringend merken.
Text: Kristof Beuthner