Rezensionen 18.09.2009

Sometree - Yonder [PIAS / Rough Trade]

Dass man bei einer Band sagt, dass die sich Zeit ließen sei völlig richtig und das Verständnis dafür verdränge sogar den Heißhunger auf neues Material, gibt es selten. Meist ist das so, weil man weiß, dass es sich lohnt. So wie bei den Berlinern von Sometree.

Deren letztes Werk „Bending The Willow“ erschien vor satten drei Jahren. Nun steht man dieser Band generell durch deren fehlende Offensive – man hört hier keine markigen Sprüche, sieht nicht die mittlerweile in der Indie-Szene übliche Styligkeit, nein: diese Band verhält sich sehr zurückgezogen – eher so gegenüber, dass man einfach kurz den Kopf dreht und sagt: eine neue Platte von Sometree? Wie brillant ist die denn wieder? Die Band drängt sich schier nicht auf. Umso zwingender ist ihre Musik. Und um so großartiger. Die neue Platte heißt „Yonder“ und kehrt die besten Seiten dieser Band heraus. Und das passiert derart eindringlich, dass man fast von der besten Platte sprechen kann, die Sometree je gemacht haben – wenn man damit nicht klaren Befürwortern der Brachialität der Band, wie sie die auf „Moleskine“ zeigten, auf die Füße treten würde.

Schon „Bending The Willow“ war von einer tiefen Melancholie geprägt; auf „Yonder“ bricht sie sich noch weitaus stärker Bahn. Es ist dazu diese besondere Melodieführung von Sometree, die sie niemals eingängig wirken lässt; die den Eindruck verstärkt, dass hier nicht nur jemand trauert, sondern auch irrt – all die Bögen, all die kleinen Ecken und Kanten; die beinahe schon angejazzt shuffelnden Schlagzeuge im Hintergrund des von klagenden Klavierakkorden und betörenden Bläsern getragenen „Moduin“, einem der stärksten Stücke der Platte, auf dem Konstantin Gropper Hintergrundgesang beisteuerte, zeigen: nur melancholisch zu sein durch Klagelaute oder Zurückgezogenheit steht dieser mehr als versierten Band nicht. Auch wenn der Gesang wieder alles andere ist als offensiv, zurückhaltend, eher ein weiteres Instrument im dieses Mal ausgesprochen reichen Kanon, sind die Songs weit ausgeschmückt, elegisch und tiefst innig. „Serene“ erinnert streckenweise ein bisschen an Sigur Ròs; „Conundrum“ an Get Well Soon, zumindest so lange, bis sich doch wieder der mäandernde Sometree-Sound einstellt. Auf dem Opener „Sink & Swim“, der sich langsam auftürmt, unternehmen Sometree sogar eine kleinere Rückkehr in alte Härte. Der Rest ist reine Gänsehaut und textlicher Minimalismus, der die Fragen auf den Punkt bringt: „Are you still with me?“, oder „What took you so long to find me here?“. Die Texte sind auf das nötigste beschränkt, und doch schmerzt die Vereinzelung den Hörer gleich mit. „I ran out of friends a long time ago”, heißt es im abschließenden “Enchiridion”. Kann man Einsamkeit stilvoller beschreiben? „Yonder“ ist eine Platte, die von Herzen weh tut; die zu Tränen rührt; die wieder einmal zeigt, dass Sometree, stille Vertreter oder nicht, zu den großartigsten deutschstämmigen Bands zählen.


Text: Kristof Beuthner