Es gibt Dinge, die dürfen nur Kanadier, so wie es Dinge gibt, die nur Briten dürfen und so weiter. Bei letzteren ist es Postpunk und New Wave, bei ersteren Folkpop, bis ins zärtlichste verkitscht und so soft, dass es einen bei jedem nerven würde - nur nicht bei Kanadiern. Erst recht nicht bei den Stars.
Das ist eine total merkwürdige Regel, was dem Autor dieser Zeilen definitiv klar ist - trotzdem ist es so. Abweichungen lassen sich nur mit dem Satzteil "aber das klingt halt wie..." erklären. Sprechen wir also darüber, warum das mittlerweile sechste Stars-Album "The North" von nur wenig anderen Bands dieser Welt toll wäre, aber von Amy Millan und Torquil Campbell nebst Mitstreitern wieder eine Offenbarung der Herrlichkeiten ist. Finden wir einen Grund, wieso synthetische Flächen mit Zuckerwatte-Melodien, Stimmen so weich wie zerlassene Butter und zum Niederknien poppige Hits wie "Backlines" oder "Walls" in Aufbereitungen von Carly Rae Jepsen und Owl City die Charts stürmen würden und sofort von Indie-Schmindie-Leuten furchtbar oder zumindest nur heimlich gut gefunden würden. Entdecken wir: es geht nicht. Es gibt dafür keinen Grund, keine Erklärungsmöglichkeit. Genauso, wie klar ist, dass dieser Band in einer gerechten Welt die Herzen aller zufliegen müssten und sich Radiopop über sie definierte. Es sind Phänomene, die unerklärbar sind. "The North" springt dich an und schlingt seine Arme um dich; es gibt überhaupt keine Möglichkeit, das nicht zu mögen oder nicht gut zu finden. Trotzdem wird auch diese Platte nicht den Durchbruch für die Stars bedeuten, der weiter reicht als über halbwegs gut informierte Musikliebhaberkreise hinaus. Würde eine Band wie die Killers die stampfenden, drängenden und unverschämt hittigen "Hold On When You Get Love And Let Go When You Give It" oder "Progress" singen, wäre es genau andersherum. Gott, ist diese Welt manchmal seltsam.
Fakt ist und bleibt: "The North" ist eine Wohltat, gespickt mit neuen Highlights der Bandgeschichte. Das jubilierend-zarte "Through The Mines" ist eines der größten. Ja, die Platte klingt wieder kitschig, aber vielleicht ist es diese besondere Liebe zum Kitsch, diese außerordentliche Hingabe und Präzision, die das bei den Stars irgendwie okay, nein, sogar unverzichtbar werden lässt. Oder diese Haken, die es schlägt, die das Mainstream-Publikum für immer ausschließen, obwohl es manchmal so wirkt, als wäre jeder zum Lauschen geladen. Ein wunderschönes Album voller großer Momente. Bitte, geht hin und schließt es in euer Herz.
Text: Kristof Beuthner