Neues vom wundervollen Isländer mit der Samtstimme - und einiges hat sich verändert. Wo der Vorgänger "Ölduslód" mit seiner tiefen Ruhe und Unaufgeregtheit aus dem Stand zum Winteralbum 2012 wurde, schlägt "Brot" an den richtigen Stellen energetischere Töne an.
Da wäre zunächst die Tatsache, dass Svavar Knutur sich inzwischen innerhalb seiner Kunst so sicher und wohl fühlt, dass er nicht mehr zwingend den einsamen Wolf geben muss, sondern sich für einige Stücke eine Band ins Boot geholt hat. So hat gleich der Titeltrack von "Brot" gar nichts mehr zu tun mit dem reduzierten Folk, den wir bisher von Svavar Knutur kannten, sondern nimmt mit vollem Bandinstrumentarium sogar richtig Tempo auf, ohne aber sein zentrales Element, die watteweiche Stimme seines Erzählers, zu übertünchen. Übrigens, weil wir ja nicht wissen, ob ihr alle vor kurzem das Interview bei uns gelesen habt, wo der Albumtitel erklärt wurde, müssen wir es einfach nochmal sagen: Mit "Brot" ist natürlich nicht das Backwerk gemeint, das ihr zum Frühstück esst. Im Isländischen bezeichnet es vielmehr ein mächtiges Aufeinanderprallen von Naturgewalten wie tosenden Wellen im brüllenden Sturm an der schroffen Küste Islands. Das ist für dieses Album selbstverständlich metaphorisch zu verstehen: Die Wellen sind bei Svavar Knutur innere, deren Aufprall es zu überstehen gilt und die sich aus Selbstzweifel, Liebe und dem allgegenwärtigen Weltschmerz manifestieren. Wie man damit umgehen kann, erzählen zehn neue Stücke, und auch wenn das Instrumentarium breiter geworden ist, tragen sie alle die gewohnt lakonisch-zärtliche Handschrift eines Storytellers, der tieftraurig und ernst sein kann, sich aber in vielen entscheidenden Momenten zu seinem großen Vorteil nicht zu ernst nimmt. Wie zum Beispiel auf dem herrlichen "Girl From Vancouver", das mit dem Plan beginnt, der Süßen hinterher zu ziehen und darin endet, dass sich "Lady Dracula" darauf reimt, oder auf "Wanderlust", das das latente Fernweh eines Roadtrippers in aufbruchslustige fünf Minuten packt - "Ain't it hard to have a home, when all you're longing for is to ramble and roam?", fragt Svavar Knutur, und wir können ihn verstehen. Ganz so hart ist es übrigens für ihn privat nicht: Während der Entstehung des Albums kam sein Sohn Úlfar zur Welt, und Mr. Knutur hat ihm nicht nur einen nach ihm benannten Song - übrigens einen der schönsten der Platte - gewidmet, sondern ihn gleich mit ihm zusammen komponiert, indem er ihm Fragmente vorklimperte und sie behielt oder verwarf, je nachdem wie das Kind reagierte. Schöne Geschichte zum schönen Song.
Allem neuen und anderen zum Trotz beherrscht Svavar Knutur aber auch immer noch meisterlich die nordische Kaminfeuer-Melancholie, was besonders in den Duetten zum Vorschein kommt. Auf "Curtain" gastiert wieder die große Marketa Irglova von The Swell Season, die schon bei "Ölduslód" mit von der Partie war; auf "Astarsaga Ur Fjoellunum" steht ihm Kristjana Stefansdottir zur Seite. Da tritt dann auch der Schmuck einen Schritt zurück und die Gitarre nach vorne; beim erwähnten "Girl From Vancouver" und auf "Little Things" hören wir auch die spätestens seit "Baby, Would You Marry Me?" liebgewonnene Ukulele wieder.
Insgesamt klingt Svavar Knuturs viertes Album zwar des Titels zum Trotz mehr nach Dankbarkeit als nach brechenden Wellen - es zeigt ihn in einem Status künstlerischen Schaffens, das von deutlich mehr Sicher- und Zufriedenheit geprägt ist - aber gerade der Weg dorthin ist eben für uns alle einer, auf dem wir uns an den zerrenden Naturgewalten (metaphorisch wie tatsächlich) abarbeiten müssen. In seiner Mischung aus Melancholie, Hingabe und Humor ist es dafür das bisher heterogenste Knutur-Album und so ein weiterer großer Schritt zu unser aller Aufmerksamkeit.
Text: Kristof Beuthner