Das wundervolle Berliner Sonic Pieces-Label beschert uns in diesem Jahr Perle um Perle, vor allem zu nennen das großartige "Vora"-Album des Spaniers Rauelsson. Was darauf folgt, ist so wohltuend wie konsequent: Sonic Pieces hat sich Takeshi Nishimoto ins Boot geholt.
Der japanische Gitarrist, der außerdem zusammen mit Jon Tejada das experimentelle Elektronik-Duo I'm Not A Gun repräsentiert, ist kein Mann mit einer großen Veröffentlichungsdichte, und es ist darum umso schöner, dass er nicht nur überhaupt wieder von sich hören lässt, sondern dass dies zudem bei einem Label stattfindet, das mit seiner Veröffentlichungspolitik für enorm viel Liebe und Hingabe steht. Und eine Herzensangelegenheit war schon Nishimotos Debüt "Monologue", das vor sechs Jahren beim Morr-Freund und City Centre Offices-Sublabel Büro Records erschien: Die pure Reduktion auf atmosphärischstes Gitarrenspiel, an einem einzigen Tag improvisiert und live aufgenommen in einer Kirche, enorm deep und kontemplativ.
Doch um das neue Werk von Takeshi Nishimoto soll es ja hier gehen, "Lavandula", und es setzt die musikalische Reise von "Monologue" konsequent fort. Denn Nishimoto ist und bleibt ein Gitarrist, und so steht die Gitarre auch auf seinem zweiten Solowerk im Vordergrund und malt wieder die hübschesten Bilder. Das Gitarrenspiel des Wahl-Berliners ist immer noch aufs intensivste entrückt und malerisch; ein bißchen erinnert es (stärker noch auf dem Vorgänger) an die melancholischen Lateinamerika-Gemälde des Soundtrack-Spezialisten Gustavo Santaolalla. Nishimotos Klangkonstrukte wirken deutlich unruhiger, wobei ich damit nicht meine, dass sie hektisch klängen - auch Santaolalla transportiert in seiner Musik dieses Gefühl von Rastlosigkeit, wie auf einer Reise, bei der man spürt, dass sie noch nicht beendet ist. Mal hält Nishimoto inne und streichelt sein Instrument, mal spielt er es in einer Form, als dürfe er nicht mehr verweilen. Und er zeigt sich erstmals in seinem alleinigen Schaffen auch als großer Komponist, wenn er beispielsweise auf "Remembrance", "Tone Water" oder "Straßenlaterne" synthetische Soundscapes seine Gitarrenklänge tragen lässt und seine Musik um ein sehr gewinnbringendes Spektrum erweitert. Auf letzterem denkt man bei seinem beinahe schon an einen Bass erinnernden Spiel an noch einen Großmeister, nämlich an F.S. Blumm. Doch auch, wenn er sich in dessen Gesellschaft gewiss wohl fühlen dürfte - unter den wenigen Helfern befindet er sich nicht. Statt dessen standen Nishimoto Burnt Friedmann und Robert Lippok zur Seite; letzterer produzierte das Album.
War "Monologue" ein musikalisches Selbstgespräch, ein Fenster in die intime Seelenwelt eines begnadeten Gitarristen, ist "Lavandula" ein Aufbruch, nicht nur in die Weite einer diffusen Welt, sondern auch in eine größere instrumentale und klangliche Breite; eine Öffnung in jeder Hinsicht, an der Takeshi Nishimoto uns teilhaben lässt. Damit schafft er uns zum zweiten Mal einen Soundtrack für ein heilsames Loslassen in den Momenten, in denen wir inne halten.
Text: Kristof Beuthner