Rezensionen 23.10.2015

The Franklin Electric - This Is How I Let You Down [R.S.D. / Rough Trade]

Wenn Musik zur Katharsis wird, wenn aus Trauer ein neuer Anfang gebiert und man sich mit aller Kraft gegen ein Leben in Unglück und Resignation stemmt, ist der Zeitpunkt für große Songs ziemlich wahrscheinlich bei allem vorangegangenen Übel ein guter.

Jawohl: "Ein Song ist wie ein guter Freund oder ein Liebhaber", sagt Jon Matte, "denn je mehr du ihm zuhörst, umso besser verstehst du seine Komplexität. Und manchmal entsteht daraus dieses magische Gefühl, dass uns ohne Erwartung einfach so überkommt". Und gute Freunde wie diese hatte er auch nötig, der Kopf von The Franklin Electric, der sowohl singt als auch Klavier und Trompete spielt bei diesem weiteren Beleg für Kanadas unermessliche musikalische Größe. Denn als vor vier Jahren ein sehr enger und wichtiger Freund von ihm unerwartet starb, war Musik die Zuflucht, die mit offenen Armen wartete, Tränen trocknete und die Chance auf einen neuen Anfang bot. Zusammen mit Martin Desrosby, Liam Killen und Alexis Messier begann Jon Matte als The Franklin Electric seinen Verlust zu bewältigen - eine kathartische Arbeit, eine durch und durch selbstreinigende. Doch wie auch wir es kennen, wenn jemand Geliebtes uns verlassen hat, bleiben nicht nur Trauer, Wut und Verzweiflung über den Verlust, sondern auch gute Erinnerungen, bemerkenswerte Anekdoten und das Glücksgefühl, die Person gekannt und in seiner Nähe gehabt zu haben. Darum ist "This Is How I Let You Down" auch bei aller Grandezza kein Trauerstück für dunkle Tage, sondern zwar ein zutiefst melancholisches und nachdenkliches, allerdings auch mit weit offenen Armen und einer sich nach und nach wieder mit Luft füllenden Lunge ausholendes, die Weite einer noch unberührten Landschaft (das ist metaphorisch wie wortwörtlich zu verstehen) einatmendes Prachtwerk geworden. Die zehn Songs handeln von der Hingabe, dem Streiten und Vergeben und der bedingungslosen Liebe einer tiefen Beziehung, und Jon Matte singt seine Lieder mit viel Wärme und eindringlicher Energie in seiner Stimme. Der Sound seiner Band leuchtet an jeder Ecke, schämt sich nie vor der großen Geste. Die fordernden Percussions und die Bläser auf "Old Piano" oder "Uninvited" tauchen alles in ein gleißendes Licht, das große Hoffnung verspricht und am Ende zugleich berührt und glücklich macht. "This Is How I Let You Down" ist großer Folkpop, dem das Kunststück gelingt, die aus sich selbst entstandene, dringend benötigte tröstliche Hand auf der Schulter in wunderbare Songs zu transformieren und sie neu erstarkt an dich weiterzugeben ("It's hard to face this one alone", heißt es auf "Alone" nicht von ungefähr), wenn du sie so bitter nötig hast wie Jon Matte vor vier Jahren.



Text: Kristof Beuthner