Rezensionen 15.09.2012

The XX - Coexist [XL / Beggars / Indigo]

Der vielversprechendste Hype der letzten Jahre ist an der Reihe, im Hinblick auf Kontinuität überprüft zu werden. Es versandet so viel, was im ersten Moment noch heiß und angesagt war, in der Bedeutungslosigkeit. Die Beispiele sind zahllos.

Nun gaben The XX allerdings mit ihrem 2009er Debüt "XX" auch kein typisches Hypefutter her, vielleicht sind sie deshalb sowieso mit zweierlei Maß zu messen. Romy Madley Croft, Oliver Sim und Jamie Smith setzten nicht auf die große Geste sondern auf Spuksounds, hallige und sehr zurückgenommene Rhythmik und einen Paargesang, der auf faszinierende Weise gleichzeitig konträr und umarmend war. Discotauglich wurden die Songs auf "XX" erst durch elektronische Nachbearbeitung; davor lebte das Album allein von seiner Zurückgezogenheit, seiner Nachdenklichkeit und Kühle. Dann ist es auch durchaus bemerkenswert, dass bis zum neuen Longplayer satte drei Jahre vergangen sind, was durchaus dafür spricht, dass es hier nicht um eine Statusbehauptung gehen sollte, sondern dass The XX sich Zeit genommen haben für ihr zweites Werk. Es ist auch nicht so, dass die Bandmitglieder in der Zwischenzeit nichts zu tun gehabt hätten. Besonders Jamie Smith, mittlerweile auch unter dem Namen Jamie XX weit bekannt, hat etliches an Remixarbeiten abgeliefert und dabei augenscheinlich eine Menge dazugelernt.

Also: sprechen wir über die Rückkehr von The XX auf die große Bühne der Weltaufmerksamkeit. Was auffällt, ist, dass die Band ihrem Stil definitiv treu geblieben ist. Wir finden auch auf "Coexist" die Elemente, die schon das Debüt so spannend gemacht haben. Allerdings ist bemerkbar, dass die Vocals nicht mehr so geisterhaft aus dem Hintergrund zu klagen scheinen; wesentlich präsenter sind. Sich immer noch umspielen, teilweise auch textlich nebeneinander her laufen um sich zu einem späteren Punkt wiederzufinden. Das hat definitiv nach wie vor seine Reize. Absolut einen Schritt nach vorne markiert das Songwriting. Es macht die elf neuen Stücke nicht unbedingt zugänglicher, mit Sicherheit aber zupackender. Jamie Smith hat außerdem unter Songs wie "Reunion", "Swept Away" und "Sunset" smooth treibende Beats gebastelt, was dazu führt, dass die Musik fordernder klingt als auf dem Debüt. Wovon ich hier spreche, sind aber lediglich Veränderungen im Detail; wo The XX draufsteht, ist auch The XX drin, und das funktioniert ein zweites Mal absolut prächtig. Stücke wie "Chained", "Tides" oder das abschließende "Our Song" berühren stark durch ihre Tiefe, überhaupt ist "Coexist" wieder eine äußerst innige Angelegenheit geworden. Auch wenn (oder vielleicht auch gerade weil) es etwas offener in die Elektronik schaut; etwas den bekannten, verhaltenen Spuk-Charme ablegt und somit den XX-Stil, von dem man nun durchaus sprechen darf, auf eine höhere Ebene hievt. "Coexist" zeigt eine Band, die sich weiterhin von all dem Jubel um sie relativ unbeeindruckt geben dürfte und ihre eigene musikalische Reise nicht den Regeln der Popularität, sondern denen ihrer eigenen Ziele und Interessen unterordnen wird. Eine vielleicht gewagte Prognose, denn das neue Album dürfte die Beliebtheit dieser Band durchaus noch zu steigern vermögen. Aber "Coexist" ist ein eindrucksvolles Zeichen dafür, dass wir es hier keineswegs mit musikalischen Eintagsfliegen zu tun haben. Das kann noch lange so weitergehen.


Text: Kristof Beuthner