Rezensionen 07.09.2013

Thees Uhlmann - #2 [GHvC / Indigo]

Es ist etwas passiert, mit dem ich so nicht gerechnet hatte: Ich war im Vorfeld eines Thees Uhlmann-Releases skeptisch, jawohl. Grund waren acht kleine Worte: "Die Bomben meiner Stadt machen Boom Boom Boom".

Und dieses Gefühl war neu. Aber nicht dieses crazy, sexy Gefühl von neu, sondern dieses Gefühl, dass man sich entfremdet hat, obwohl man lange um diese Bindung gekämpft hat, die man mal für einzigartig hielt. Dabei hatte ich Thees mit Tomte auf Höhe "Heureka!" so glühend verteidigt, weil ich "Küss mich wach, Gloria" unter anderem so mochte und all das immer noch für mich verstand, & als er vor zwei Jahren beim BootBooHook seine ersten Stücke vor dem Release des Solo-Debüts vorstellte, hatte ich das Gefühl, ihn noch nie so sehr angekommen bei etwas erlebt zu haben & war seltsam berührt. & nun ist das treffend mit "#2" betitelte zweite Werk da, & was genau ist nun eigentlich anders, außer dass man ihn plötzlich mit seinen eigenen Waffen schlagen möchte & in einer Review statt "und" nur noch "&" schreibt? Zunächst einmal die eingangs erwähnten acht Worte. Die den Mann der Antworten plötzlich zu etwas zwangen, das ich auch nicht für möglich gehalten hatte: Er rechtfertigte sein Werk. Im blauen F. Weil da plötzlich gelangweilte Gegenstimmen auftauchten. Sie hatten in der Art ihres Vorbringens nicht die Cleverness mit Löffeln gegessen, doch warf sich mir die Frage auf, ob sich die Sloganhaftigkeit der Lyrics von Uhl überholt hatte. Dass man vielleicht die Lust verloren haben könnte, sich seine Wörter aufs Herz zu tätowieren.

Es ist schwierig: Wenn jemand einem durch die komplizierten Stunden der Adoleszenz geleitet hat & plötzlich erwachsener ist und klingt als man selbst, dann kann man nicht von schlechter oder besser sprechen. Es ist mehr so eine Art Entwicklung, entweder auseinander oder zueinander. Thees Uhlmann hat mal so was gesagt wie "Was soll ich traurige Lieder schreiben, wenn's mir gut geht? Ich bin kein Schauspieler". Das ist ein Wahrhaftigkeitsanspruch, der folgendes bedingt: Die thematische Bindung zwischen Song und Hörer ist da - oder eben nicht. Mit seinen Beobachtungen & Darlegungen seiner Weltsicht erreicht er nachweislich immer mehr Menschen, aber ich tu mich mit "#2" irrsinnig schwer. Musikalisch wird alles größer, Thees' Springsteen-Bewunderung wird immer deutlicher, da sind jetzt auch "ooooh"-Chöre, & lyrisch ist er sicherlich präziser als früher (was auch irgendwo natürlich ist), aber die Ecken, Kanten, Unexaktheiten die so sehr unsere eigenen waren, sind einer weitaus durchdachteren Erzählform gewichen, & auch weiß er mittlerweile viel besser, seine Songs musikalisch zu inszenieren & Stilrichtungen zu zitieren als sie mit dieser hingeschluderten Punk- und Selfmade-Attitüde zu überziehen.

Es ist für mich wunderschön zu wissen, dass sich dieser Mensch, den ich als Musiker so viele Jahre lang bewundert habe, in seiner Musik so wohl fühlt wie nie, so geborgen und true. Dass Uhl kein zweites "Hinter all diesen Fenstern" aufnehmen würde, vermutlich sein ganzes Leben lang nicht mehr, war auch vorher klar. Dennoch erzählt mir diese Platte immer noch mehr über mein Leben als "#2". Es geht mir um vergangenen Zeitgeist, es geht um eine gemeinsam verbrachte Jugend, & ich fühle mich dem jungen Uhlmann immer noch mehr verschrieben als dem neuen, dem erwachsenen. Thees Uhlmann ist eine persönliche Sache für den, der ihn lange kennt - eine unpersönliche Review zu schreiben, die sich rein auf die Musik bezieht, verfehlt bei ihm das Thema, sie kann es nur verfehlen. Vielleicht komme ich irgendwann nach. Bis dahin wünsche ich ihm alles Gute und viel Erfolg.

Text: Kristof Beuthner