Rezensionen 28.02.2012

tindersticks – The Something Rain [Lucky Dog/City Slang]

„Something we have only felt once before," wird Sänger und Gitarrist Stuart A. Staples im Pressetext zitiert. tindersticks veröffentlichen über 20 Jahre nach Gründung der Band ihr neuntes Album und für ihn hat diesmal wirklich alles zusammenpasst. Ähnlich war das Gefühl nur bei der ersten Veröffentlichung Anfang der 90er Jahre. Was soll er auch sagen. Das neuste ist ja immer das Beste, ganz klar. Klar ist jedoch auch, dass die tindersticks mit ‚The Something Rain‘ eine absolut in sich stimmige Arbeit abliefern.

‚Chocolate‘ erzählt zu Beginn in Form eines Rezitativs, mit stoischen Gitarrenakkorden und vereinzelten fuzzigen Gitarrentönen im Hintergrund, von der Begegnung von Mann und Frau in einer Bar. Sie reden, rauchen und er geht mit zu ihr. Am Ende ist sie ein er. Im Prinzip nicht der Schocker vor dem Herrn, doch im Gesamtkontext der Platte ein gekonnter, effektvoller Einstieg. Der Blick hinter die Fassade ist der Blick auf die Fassade der tindersticks – was hier schwer nach Binsenweisheit müffelt, beschreibt im Kern ihre Devise. Das Quartett um die Kerntruppe Staples und Pianist David Boulter ist seit jeher daran interessiert die schattigen Gefühlslagen ans Licht zu musizieren. Diesen Anspruch haben sie dato nahezu perfekt umgesetzt. ‚Show Me Everything‘ lebt von einem trockenen Snare-Sound und der bekannten Schläfrigkeit in Staples Stimme, ‚This Fire Of  Autumn‘ zieht im Tempo an und leitet mit treibenden Bassläufen, Background-Chören, Streichern und Xylophon-Klängen zum psychedelisch wabernden ‚A Night So Still‘, in der für Staples jeglicher Funken Hoffnung erloschen scheint. ‚Slippin‘ Shoes‘ lässt mit swingenden Bläser-Arrangements für wenige Momente die Sonne aufgehen, die durch den tieftraurigen Cello-Einsatz in ‚Medicine‘, aber auch direkt wieder untergeht. Alles wie gehabt und doch kann ‚The Something Rain‘ ein bisschen mehr: mit eher untypischen sphärischen (‚Goodbye Joe‘) und auch perkussiven Elementen (‚Frozen‘) schaffen sie es ein stückweit weg von den überladenen Schwermuts-Nummern  - reduzierter, dadurch intimer mit Blick für das Gesamtwerk. tindersticks arrangieren dato eine grandiose Soundcollage aus Bar-Jazz, Soul und Dandytum – Stripped to the bone:  zwischen Wahn und Trieb, Cocktailsessel und Tütenlampe, Abgeklärtheit und großem Kino.

 

Text: Thomas Markus