Ich muss mich kurz zügeln. In mich gehen. Darf jetzt nicht übertreiben. Muss meine Superlative im Zaum halten. Ich neige gerne zum Streuen selbiger wenn ich schwer angetan bin. Ach komm, was soll das Ganze: Meine Damen und Herren, das hier ist die beste Platte einer weiblichen Interpretin seit Feists "Let It Die".
Die Rede ist von Hollie Fulbrook alias Tiny Ruins aus Neuseeland, die uns mit ihrem Debüt "Some Were Meant For The Sea" im wahrsten Sinne des Wortes beglückt. Ich hätte ahnen können, wie schön diese Platte werden könnte, als ich erfuhr, dass das Luxemburger Lieblingslabel Own Records für den Vinyl-Release verantwortlich zeichnet (CD kommt über Coop). Nun habe ich schon eine Menge Wind in die Segel geblasen, als ich das Album eingangs sofort mit Leslie Feists Geniestreich aus dem Jahr 2004 in einem Atemzug nannte. Doch was scheinbar Vergleiche heraufbeschwört, lenkt auf falsche Fährten. Denn Hollie Fulbrook legt ihre Stimme nicht auf sanften Jazzpop und entbehrt somit auch jeglichem Norah Jones-Soundalike, der weichen, weiblichen Interpretinnen gerne nachgesagt wird. Die Songs von Tiny Ruins sind äußerst fragile Gebilde, aber deutlich im Singer-Songwriter-Folk angesiedelt. Die Stimme ist sanft und zart und süß wie Zuckerwatte, die Arrangements äußerst minimalistisch: Zur Konzertgitarre gesellen sich hier und da ein paar Streicher, ein Banjo, vielleicht mal ein Klavier, doch sie alle bleiben Randerscheinungen. Im Vordergrund steht der faszinierend innige Gesang Fulbrooks; die kleinen Melodien, die von der alten Schule sind, von der eines Nick Drake oder der eines frühen Leonard Cohen. Fulbrooks Lieder sind kleine Geschichten, weniger Stücke mit Strophe-Refrain-Konstruktionen, und es ist als tauche man in sie ein; als spräche sie zu dir, säße auf dem Fußboden vor deinem Sofa und sänge. Diese Unmittelbarkeit ist kein Zufall; Hollie Fulbrook hat zusammen mit ihren Begleitern alle Songs live eingespielt und erzeugt somit eine Atmosphäre echter Nahbarkeit, echter Innigkeit. Dieses Album ist ein einziger Hochgenuss, tief und einfach wunderschön. Und wenn es mir trotz eingehender Bemühungen nicht gelungen ist, mich mit Superlativen zurückzuhalten, dann ist Tiny Ruins jedes einzelne wert.
Text: Kristof Beuthner