Ich las kürzlich ein interessantes Interview mit Thees Uhlmann, in dem er sagte, der Unterschied in der Beziehung zu Musik und zu Fußball läge darin, dass die Vorliebe zu einer Band eher einer Affäre entspräche, das Hingezogensein zu einem Fußballclub aber einer Ehe.
Dass dieser Ausblick die Review zu einem Album von Travis einleitet, lässt ja schon böses erahnen. Für mich waren Travis treue Begleiter in meiner Teeniezeit, die eine Menge melancholischer Unwegbarkeiten mit ihrer eigenen Melancholie abfingen und sie weniger schlimm erscheinen ließen. Songs wie "Turn", "Sing", "Dear Diary" oder "Side" haben sich tief in mein Herz gebrannt. Ja, und natürlich auch "Why Does It Always Rain On Me". Fran Healy konnte und durfte alles singen. Das änderte sich auch nicht bei ihrer 2007er Rückkehr "The Boy With No Name", auch wenn von vielen Seiten kritisiert wurde, hier werde nur alter Wein in neuen Schläuchen serviert. Das Bild geriet ins Wanken, als nur ein Jahr später das sehr rockige und pompöse "Ode To J. Smith" erschien. Nun, nach einer erneuten Babypause, liegt "Where You Stand" da, und selbstverständlich möchte ich es trotz aller Skepsis gerne lieben, allein ich kann es nicht. Was an mir liegen könnte und meinem Verhaftetsein in der Travis-Welt der später 90er und frühen 00er, in der getragene Mollklänge regierten und sich mit einer wundervollen Melodieseligkeit paarten. Fran Healy und seine Jungs haben sich sicherlich weiterentwickelt. Ihre Musik klingt weitaus positiver als früher, sie ist auch sehr viel breiter instrumentiert, angereichert mit Synthesizern und ein bißchen Breitwand-Bombast. Man wird erwachsen, man möchte auch mal Dinge anders machen. Das kann man so oder so finden. Aber wo sind die Songs, die in der Lage wären, dein Herz aus dem Nichts heraus zu brechen? Wo sind die tröstlichen Arme, mit denen diese Band in der Lage war, dich einzuwickeln und zu sagen: Ist gar nicht so schlimm, bei uns ist es viel schlimmer? Zu Travis im Jahre 2013 bekomme ich nur ganz schwer Zugang. Fran Healys Stimme ist nach wie vor über jeden Zweifel erhaben, da steht gar nichts zur Debatte, aber das Songwriting lässt zu sehr die gewohnte Tiefe vermissen. Das ein oder andere Stück ist ganz hübsch, "Reminder" zum Beispiel, das mit seinem gepfiffenen Intro durchaus in seine Zeit passt, oder "A Different Room", aber "ganz hübsch" ist für eine Band der Güteklasse Travis einfach zu wenig. Das wirklich gelungene "On My Wall" rettet den Gesamteindruck dann leider auch nicht mehr nach oben. Das wird nicht so weit reichen, um meine Affäre - um den Einstieg meiner Ausführungen noch einmal aufzugreifen - zu beenden, aber ich höre mir lieber noch zwanzigmal "The Man Who" oder "The Invisible Band" an und lasse mich einen blindwütigen Nostalgiker schimpfen.
Text: Kristof Beuthner