Rezensionen 28.01.2014

UNS - Gegengift [Noisolution / Indigo]

Was geht 2014 mit deutschsprachiger Musik? Bisher - und das gilt durchaus auch für das Ende des vergangenen Jahres - nicht viel überraschend Neues. Da muss mal jemand kommen und die Szene wieder kräftig durchpusten. UNS aus Berlin wären dafür gute Kandidaten.

Vielleicht ist das auch sowieso manchmal ganz gut, wenn für dieses Durchpusten etablierte Musiker mit viel Erfahrung in verschiedenen Richtungen zusammen kommen. Da hat man schon ein bißchen was gesehen, da hat man seine jugendliche Musiksozialisation nicht durch Youtube und Spotify vollzogen. Da kennt man vielleicht noch Sachen, an die sich heute rein gar niemand mehr erinnert. Und so erinnert "Gegengift", das Debütalbum von UNS, die sich aus ehemaligen Mitgliedern von Kate Mosh, Petula und Siva, also allesamt Elder Statesmen der hiesigen Indie-Szene, zusammensetzt, sicherlich für viele erstmal an dadaistische Post-NDW-Exzesse. Und das ist auch sicherlich nicht völlig an den Haaren herbei gezogen; der Mix aus Punk und (ja!) Dance; Texte zwischen Diskurs und Gaga; dazu wird dann auch gerne darauf hingewiesen, dass man sich ja auch mit den edlen Fehlfarben die Bühne teilte. Doch UNS gehen im Grunde den entscheidenden Schritt weiter als alle anderen: Sie mischen ihrem Gericht eine gehörige Portion Kraut bei. Und ganz nebenbei covern sie im Titeltrack auch noch The Prodigy zu ihrer Hochphase, in der deren Reiz auch im Clash der Musikstile bestand. Das passt doch!

Für diejenigen, die schon etwas länger ein Faible für deutschsprachige Musik haben, dürfte bei "Gegengift" allerdings noch eine ganz andere Glocke klingeln. Denn im Endeffekt klingt das Album wie das konsequent weitergedachte Debüt einer gewissen Hamburger Formation namens Von Spar, deren "Die uneingeschränkte Freiheit der privaten Initiative" 2003 mit ganz ähnlichen Zutaten aufwartete wie UNS heute: Zappeligkeit, Stilvielfalt, Hektik. Der gerne auch mal kreischige Gesang, der übrigens äußerst gewöhnungsbedürftig ist. Glorreiche und selige LADO-Zeiten werden wieder lebendig. Und wie damals besteht gerade darin die Faszination: Die Spielfreude ist immens; das hier ist Musik, die sich nicht so ernst nimmt, die dadaistisch ist aber niemals grottenalbern, und die vor allem hochfiligran inszeniert daher kommt und mächtig nach vorne geht. Wer sich von der Eigenartigkeit von "Gegengift" nicht verschrecken lässt, wird an diesem Album große Freude haben. Von Spar stiegen im Anschluss um auf seltsam exzessiven Experimental-Drone-Kraut-Eintopf; ein Fortsetzen ihrer eigentlichen Stilmittel war dringend nötig und ist tatsächlich endlich mal wieder etwas, das nicht so klingt wie alles andere. Es wurde Zeit, dass mal wieder jemand kommt und die Neo-Punks und die Singer-Songwriter ein wenig wachrüttelt. "Gegengift" macht somit seinem Namen irgendwie auch alle Ehre. Und das ist im Grunde höchst fokussiert und clever.


Text: Kristof Beuthner