Die Jungspunde sind in der Bringschuld. Dieser Satz klingt nach großem Erwartungsdruck. Aber genau den gab es auch. Der war überall spürbar. Schon vor gut zweieinhalb Jahren, als die Band Vierkanttretlager - wirklich noch irrsinnig, ja fast schon unverschämt jung - in Begleitung der Eltern beim Dockville Festival in Hamburg mächtig aufhorchen ließ. Sich danach zurückzog um am Debütalbum zu werkeln. Von überall Lobhudeleien, Worte der Vorfreude und Vorschusslorbeeren von erlesenen Menschen, nicht zuletzt dem Darling der Hip-Pop-Core-Ecke, Casper, mit dem die Jungs auf Tour gehen durften, oder dem ewigen Thees Uhlmann einheimsten.
Da kann man bei "Die Natur greift an" tatsächlich von so etwas wie Bringschuld sprechen. Zumal, und das wissen wir ja, sich die Hypemaschine halt ständig in leeren Versprechungen ergeht. Also, was ist das hier: Klimawandel, Tsunamis, Blitzeis, Hitzewellen - die Natur greift an? Mitnichten; kein Album über den Verfall der Erde, sondern über den nur allzumenschlichen Verfall von uns selbst, von unserer Gesellschaft, von dem Leben wie wir es kennen als Jugendliche, dem Elternhaus frisch entwachsen, mit einer leisen Ahnung, dass die geile Zeit schneller vorbei ist, als wir "Vierkanttretlager" sagen können. "Gute Nacht, Jugend - auch du ziehst an mir vorbei, und in ein paar Jahren schon kennen wir uns nicht mehr", heißt es in "Fotoalbum", einem veritablen Chanson mit Akkordeon und allem. Und weil man daran eigentlich gar nicht genug erinnern kann, kommt die Message auch zu keinem Zeitpunkt altklug, sondern eher seltsam weise, fast so wie Tocotronic und Tomte in ihren frühen Jahren vor Weisheit strotzten, und obwohl sie ja eigentlich mittendrin waren im Dilemma, immer irgendwie über den Dingen zu stehen schienen. Das kommt natürlich auch soundtechnisch sehr gut hin mit dem Vergleich; man bemerke unter anderem die Thees-Uhlmann-Gedenk-Dehnvokale auf dem formidablen "Schluss, aus, raus". Klar, diese Jungs hier haben selbstverständlich auch ihre Hausaufgaben erledigt, aber das macht nichts. Sie sind der Nachwuchs, die Zukunft, vielleicht sogar die Wachablösung. Jede Jugend braucht adoleszente Weisheit, gepaart mit Weltschmerz, Existenzwirrwarr und Zitaten zum Rucksäcke beschriften. Vierkanttretlager kann das alles, hat mit einer mitreißenden Platte alles erfüllt, dürfte sämtliche Skeptiker ruhig stellen.
Text: Kristof Beuthner