Justin Vernon alias Bon Iver ist nicht nur einer der umtriebigsten Musiker unserer Zeit, er ist mit Sicherheit auch einer der zurecht umjubeltsten. Mit seinem Side-Projekt Volcano Choir legt er jetzt einen Zweitling vor, der zurecht Anspruch auf den Titel "Platte des Jahres" erhebt.
Während der erste Longplayer dieser Band namens "Unmap" noch relativ spurlos an mir vorüber gegangen ist (Wenn man so zurückblickt: Warum auch immer!), wird auf "Repave" in jeder Hinsicht noch eine Schippe draufgelegt. Dass Justin Vernon keinem Genre, keiner Lesart der alternativen Musik wirklich abgeneigt ist, hat er ja schon wiederholt unter Beweis gestellt, doch den Spannungsbogen, den er hier mit Volcano Choir eröffnet, krönt alles bisher dagewesene. Musikalisch springt das zwischen reduziertem Folk, bombastischem Prog, synthetischer Flächigkeit und versprengten Country-Anleihen hin und her; es involviert auf faszinierende Weise sogar Elemente aus R'n'B und Breitwandpop und entwickelt durch seine Vielseitigkeit einen Sog, dem man sich wirklich nur schwer entziehen kann. Eingängigkeit war ja schon auf "Unmap" nicht mit Volcano Choir in einem Satz zu verwenden, und auch wenn "Repave" in dieser Hinsicht sicherlich einen Schritt auf den Hörer zu macht, schlägt es immer noch beeindruckend viele Haken und ist alles andere als ein Lückenfüller für die Mittagspause. Was zum einen natürlich an der Vielseitigkeit der Einflüsse liegt, zum anderen aber auch an einer enormen Spielfreude in Tempo und Struktur der acht Stücke. Vernon changiert dabei stimmlich zwischen Brummbass und Falsett, auch dieser Effekt schafft eine förmlich magische Wirkung, weil man sich zwischenzeitlich immer wieder in einem Bon Iver-Album mit gewohnter Grandezza wähnt, bevor alles wieder über den Haufen arrangiert wird und etwas vollkommen neues entsteht. Das ist übrigens ein Effekt, der sich auch beim zehnten Hören noch nicht abgenutzt hat. Dass es bei all dieser beschriebenen Wucht und Finesse trotzdem auch noch zu einer Hymne wie "Comrade" gereicht, zeigt, auf welchen Füßen "Repave" steht: Es ist Pop, aber es ist ein so anderer Pop, ein in jeder Sekunde erarbeitungswürdiger Pop, der vor lauter Ecken, Kanten und Zitatenreichtum fast als solcher unkenntlich wird; dessen Faszination einen nicht loslässt bis man das Gefühl hat, ihn vollständig erfasst und aufgesogen zu haben. "Repave" ist eine Platte, an der man mindestens noch bis zum Ende des Jahres seine Freude haben wird. Oder, um mal einen Begriff aus der Literatur zu bemühen: Der Sinnbildungsprozess ist an dieser Stelle noch lange nicht abgeschlossen.
Text: Kristof Beuthner