Was machen eigentlich Air? Die beiden Franzosen mit ihrer Vorliebe für soft angekitschten Synthie-Romance-Pop? Fällt einem halt ein, die Frage, wenn man sich "Paracosm", dem Zweitwerk des höchst talentierten Masterminds Ernest Greene aka Washed Out, widmet.
Und fraglos tut man ihm damit ziemlich unrecht. Denn die Form von Synthiepop, die Greene hier auftischt, ist kein Air-Ripoff, bedient sich nicht einmal offensiv bei den beiden Schöngeistern, sondern hat mit ihrem Gesamtwerk diese unendlich deepe, einnehmende Gelassenheit gemein. Das hört man eigentlich viel zu selten. Vielleicht liegen deshalb die Soundalike-Stimmen so nahe. Ernest Greene sieht sein musikalisches Erbe allerdings bei weitem nicht nur in Frankreich, sondern vor allem auch in den USA und Großbritannien der 1960er Jahre als alles psychedelte, fluffte und Liebe verbreitete. Unter "Paracosm" will der Kreativkopf eine eigene Welt, einen eigenen Kosmos mit eigenen Gesetzmäßigkeiten, ob psychisch, naturbezogen, klanglich oder schlicht in den Dimensionen des akuten Gefühlslebens verstanden wissen. Einen Parakosmos jenseits unserer Welt, in den abzutauchen das höchste der Gefühle bedeuten müsste. So weit, so pathetisch. Doch es stellt sich beim Lauschen dieses neun Songs starken Werkes tatsächlich sehr schnell ein Gefühl intensiver Zufriedenheit ein. Die Arrangements sind über jeden Zweifel erhaben, die Beats flowen und die Melodien schmeicheln zutiefst. Dazu singt Ernest Green mit einem Timbre, das einem völlig unaufdringlich eigentlich alles erzählen könnte - man möchte einfach nur zuhören. Und sich treiben lassen, und das hat dann tatsächlich auf eine Art etwas außerweltliches. Immer wirkt die Musik von Washed Out auch leicht hippiesk und bedrogt, und sicherlich ist das ein Stilmittel, dem sich Ernest Greene mit einem Schmunzeln bedient, doch der Fluss, in den einen seine neun neuen Stücke - hervorzuheben vor allem das köstliche "Don't Give Up" - versetzen, ist magisch und wirklich gewinnend. Und ja, natürlich ist auch diese Musik immer mal ganz leicht angekitscht, schmeckt süßlich und becirct einen wie ein mit Opium versetzter Hugo. Man merkt vielleicht: So ganz zu hundert Prozent ernst nimmt sich dieses Album nicht. Es spielt mit Klischees und Zitaten und bietet ein watteweiches Auffangtuch, wenn man mal Lust hat, seiner Welt zu entspringen. Und darin macht es wahnsinnig viel Spaß und entspannt ungemein.
Text: Kristof Beuthner