Rezensionen 23.06.2012

Wolke - Für immer [Tapete / Indigo]

Ich habe lange, sehr lange gebraucht, mich in dieses Album so zu vertiefen, wie es das sicherlich verdient hat. Denn Wolke, Benedikt Filleböck und Oliver Minck, diese herrlichen Schöngeister, sind alte Weggefährten, von Nillson geliebt, ihr viertes Album heiß erwartet. Man möchte nichts falsches sagen; alles fünf Mal hören bevor man sich traut, überhaupt etwas von sich zu geben. Aber was ist zu erwarten gewesen, was dem großartigen "Teil 3" noch hinzuzufügen?

Die Pause, die Wolke nach "Teil 3" gemacht haben, dauerte immerhin vier Jahre, und das war eine lange Zeit. Da ihre Songs aber immer irgendwie da waren, kam sie einem gar nicht so lange vor; mehr noch: es fiel einem erst jetzt so richtig auf, wie zeitlos diese Stücke waren, dass sie überdauern konnten. Da soll nun ein Album namens "Für immer" einen draufsetzen; ein Titel wie ein Versprechen, pro Zeitlosigkeit, contra das Vergessen, für immer Wolke und wir. Und dann war da diese Single, "Denkst du manchmal noch an mich". Die war romantisch, aber nicht auf diese verspielt-unschuldige Art romantisch wie etwa "Wo soll ich mit meiner Liebe hin?", sondern offensiv romantisch und beinahe: glatt. Dieses Wort trifft mich, jetzt wo ich es schreibe, immer noch bis ins Mark. Denn "glatt" - das war ja immer auch ein bißchen das, womit Wolke gerne gespielt haben. Nicht zuletzt durch ihre Popdolmetscher-Reihe wurde deutlich, dass Wolke sich intensivst mit popmusikalischen Konventionen auseinandersetzen, um sie zu konterkarieren; Weisheit und Innigkeit hinter vordergründiger Glätte zu verbergen und dem Hörer eine diebische Freude und ein warmes Herz zu bescheren, wenn er diese entdeckt. Das ist auch nicht ganz verschwunden, nein. Und Wolke sind gute Lyriker, sie sagen schöne Sachen mit schöner Sprache, nach wie vor. Aber weniger ist es geworden. "Am Leben" erreicht mich, erinnert mich. Auch "Heut Nacht" bringt mich zurück. Weckt alte Gefühle.

Die Songs auf "Für immer" klingen insgesamt weniger elektronisch als die von "Teil 3", und sie sind poppiger, und das ist nicht Wolke-spezifisch gemeint, sondern popspezifisch. Reicher instrumentiert klingen sie, klarer und eingängiger, offener; auch wenn Wolke immer noch nur zu zweit sind, klingen sie nach Band wie nie zuvor. Sie markieren einen Schritt, auf den man sich erstmal einstellen muss, wenn man das verspielte, verhuschte der frühen Alben mochte und erkannte, dass die Exaltiertheit von Songs wie "Hurra!" auf "Teil 3" vor Ironie strotzte. Wolke sind auf "Für immer" wirklich zu Popmusikern geworden, die immer noch schöne Melodien schreiben und schöne Sachen sagen; über Liebe singen, die gut ausgeht und auch mal schlecht; allein: ich fühle mich nicht mehr so berührt davon wie früher, vermisse die berückende Schönheit im Kleinen. Ich habe Hochachtung vor Oliver Mincks deutlich verbreitertem Stimmspektrum; ich habe Respekt vor Wolkes Schritt nach vorne und heraus aus ihrem Mikrokosmos, der ihnen gut zu tun scheint, denn sie klingen zufrieden. Angekommen. "Ich war zerbrochen, doch jetzt bin ich wieder ganz", singt Oliver Minck auf "Zurück", aber vielleicht vermisse ich an Wolke einfach eben diese Zerbrechlichkeit, die mir meine eigene weniger schlimm hat scheinen lassen. Vielleicht sollte auch ich versuchen, zufrieden zu sein. Einen Versuch wäre es wert.

Text: Kristof Beuthner