Rezensionen 07.10.2013

Young Rebel Set - Crocodile [GhvC / Indigo]

Und jetzt alle: Bewährungsprobe zweites Album! Dieses eherne Gesetz macht natürlich auch vor dem Young Rebel Set aus Stockton-on-Tees, England, nicht Halt. Und es stellt sich mal wieder die eine große Frage: Wie soll man ein nahezu perfektes Debüt eigentlich toppen?

"Curse Our Love" hatte vor zwei Jahren die Herzen hierzulande (übrigens vor denen in ihrer Heimat) im Sturm erobert, und zwar völlig zurecht. Diese Platte enthielt wirklich ausnahmslos Hits von "If I Was" über "Lion's Mouth" und "Measure Of A Man" bis hin zu "Precious Days", und sogar der Bonus-Track "Already Forgotten Your Name" sprühte noch derartig vor Spielfreude und Energie, das man mit Superlativen um sich warf und euphorisch "Lieblingsband" auf CDs, Poster und Jutebeutel stempelte.

Wem das so ging, den stößt "Crocodile" erstmal etwas vor den Kopf. Denn das hohe Tempo des Erstlings wurde merkbar zurückgeschraubt. An die mit herrlich hemdsärmeligem Workmen-Charme übersprudelnd tanzbaren Young Rebel Set erinnern nur noch die Single "The Lash Of The Whip" und "Another Time Another Place", dessen Refrain mitreißt und die Band in bekannter Stärke und Roughness präsentiert. Da sind aber noch neun andere Songs auf "Crocodile". Und bei denen stellt sich die Frage, was man denn eigentlich hören möchte von Matty Chipcase und seinen Jungs.

Springsteen, Dylan, Dire Straits, und hui, sogar Bryan Adams fällt einem ein: Die Liste an Vergleichsmöglichkeiten ist lang; oft hat man das Gefühl, bestimmte Phrasen oder Tonfolgen im Oeuvre der genannten schon einmal gehört zu haben. "Crocodile" präsentiert sich wesentlich hymnischer und weniger wild; ganz so als wäre es nicht mehr das probate Mittel, seine Befindlichkeiten in der Kneipe bei unzähligen Pints wegzuwischen, sondern die Faust in den Himmel zu recken und einen ausdrucksstarken Song darüber zu schreiben. Das ist sicherlich rein auf die Komposition und das Songwriting bezogen durchdachter als auf dem Debüt, aber es nimmt der Band auch ein ganz wichtiges Merkmal, nämlich die Unbedarftheit. Die Lockerheit. Das macht "Crocodile" keinesfalls zu einem verkehrten Album, aber zu einem, das man sich mehr erarbeiten und auf das man sich viel mehr einlassen muss, da es einen nicht mit offenen Armen anspringt und mit seiner Spielfreude verzückt und eben die Marschrichtung des Debüts streckenweise umkehrt. Dass das sehr gut funktionieren kann, zeigt das folkige "Unforgiven", das einen sehr schnell für sich gewinnt, und tolle Melancholiker sind sie ja, diese jungen Rebellen.

Wenngleich "Crocodile" den Vergleich mit "Curse Your Love" zunächst scheinbar offensichtlich verliert, stellt sich jedoch immer mehr das Gefühl ein, dass ein Vergleich eigentlich gar nicht funktioniert, weil hier eine über weite Strecken völlig andere Seite der Band offenbart wird. Vor allem aber auch die Klasse einer Wandlungsfähigkeit und Vielseitigkeit, die man dem Young Rebel Set nicht absprechen kann, ob man nun diese oder die andere Facette bevorzugt. Man darf gespannt sein, was sie uns auf ihrem dritten Album anbieten werden.


Text: Kristof Beuthner