Ein Jahr ist zu Ende, das wir nie vergessen werden. Und das ist natürlich nicht positiv gemeint. Das Corona-Virus mit all seinen Auswirkungen hat unser Leben, wie wir es kannten und liebten, lahm gelegt in so ziemlich allen möglichen Bereichen. Es fällt schwer, da die Sonnenstrahlen herauszupicken. Und doch hat es sie gegeben. Zum Beispiel in Form dieser 30 Platten, die uns in diesem Jahr dann doch irgendwie glücklich gemacht haben. Und euch vielleicht auch. Habt Spaß mit den Nillson-Jahrescharts von 2020!
Platz 30: The Strokes - The New Abnormal
Ja ja, „The New Abnormal“ ist schon mal Programm für dieses verhexte Jahr 2020. Könnten prophetische Fertigkeiten besitzen, Julian Casablancas, Albert Hammond jr. und Co., und den einzig richtigen Weg zur Bewältigung der Krise gefunden haben, noch bevor sie so richtig begann: Das Besinnen auf die Stärken nämlich. The Strokes machen den Rücken grade mit ihrem besten Album seit 2006, auf dem sie nämlich endlich wieder nach Garage klingen, rau und melodieselig, was generell eher rückwärtsgewandt klingt, aber ihnen auch einfach am besten steht. „Bad Decision“ heißt die erste Single - eine schlechte Entscheidung war ein Album wie „The New Abnormal“ keinesfalls.
Platz 29: Ruston Kelly - Shape & Destroy
Der Country-Tausendsassa Ruston Kelly veröffentlicht derzeit Jahr um Jahr wirklich starke Platten. Nach dem Acoustic-Emo-Ausflug „Dirt Emo Vol. 1“ kehrt er auf „Shape & Destroy“ wieder zurück zum Country; zu seiner speziellen, eigenen Version von Country, die gleichzeitig traditionsbewusst und vorwärtsgewandt ist; Americana-Preziosen in den Kontext von Indie-Pop rückt und mit „Hallelujah Anyway“ einen wunderbar waidwunden Gospel-Closer aufbietet. Das macht Ruston Kelly tatsächlich derzeit ziemlich konkurrenzlos; mit „Rubber“, „Under The Sun“ oder „Brave“ etabliert er sich mehr und mehr in der Riege der Top-Songwriter. Nun fehlt nur noch, dass diesen Mann auch hierzulande mehr Menschen auf dem Zettel haben.
Platz 28: Herr D.K. - Beleuchtet den Hintergrund
Höchst wunderschöner, intelligenter Pop zwischen Folkrock und Indiepop kam im vergangenen Jahr vom Hamburger Henning von Hertel, der auf „Beleuchtet den Hintergrund“ eben dieses tut. Mit ihm zusammen schauen wir hinter die Strukturen des menschlichen Zusammenseins im großen Kontext: Wie wird mit einem umgegangen? Wo befindet man sich, wie sieht man sich selbst? Diese Fragen beantwortet von Hertel nicht eindeutig, sondern in Momentaufnahmen der Selbstreflexion; „Eingekreist“ ist zum Beispiel ein wundervoller Song, der von sich langsam schließenden Türen während des unvermeidlichen Erwachsenwerden erzählt. „Beleuchtet den Hintergrund“ ist ein großartiges Album voller Stärke und Reflektiertheit, zugleich pur und in herrlich unaffektierter Weise theatralisch.
Platz 27: 2nd Grade - Hit To Hit
Der Name ist Programm! Peter Gill und seine Band haben ein Album aufgenommen, das eine Blaupause für perfekt gespielten Powerpop darstellt und aus Liebe genau dazu entstanden ist; aus dem Wunsch heraus, genau das zu tun. Die Themen sind so locker und entspannt wie der Sound, es geht um schöne Sommernächte, amerikanische Filmklassiker und große Gefühle für das freudvolle Leben, aber das alles kommt auf den Punkt gut, mitreißend und energetisch. Das entspannte „My Bike“ ist ein famoses Beispiel, das fröhlich-fluffige „Velodrome“ vielleicht das beste. Nada Surf, The Shins, ein ganz bißchen Weezer, und das sind nur drei Referenzen, die auf „Hit To Hit“ eindeutig Pate standen. Aber so unverbraucht klang Powerpop lange nicht, und das hat wahnsinnig gut getan im vergangenen Sommer nach diesem weltfernen Frühjahr.
Platz 26: Drive Moya - The Light We Lost
Wer braucht shiny hipster tunes, wenn er ein Album wie „The Light We Lost“ haben kann? Die Österreicher von Drive Moya spielen eine hypnotische Mixtur aus Shoegaze und Indierock, die man nur gar zu gern auf den Bühnen der Clubs dieses Landes hätte erleben wollen. Songs wie „Cold Water“, „White Leaf“ oder „In The End“ atmen den Geist von Szene-Epigonen wie Slowdive und hieven deren getragen-melodiebegeisterte Melancholie nonchalant ins Hier und Jetzt. Das Gute an „The Light We Lost“ ist, dass es dem heimischen Sessel ebenso gut zu Gesicht steht wie dem dunklen Indie-Schuppen; diese immer wieder faszinierende Laut-Leise-Dynamik betört auch durch deinen Lieblingskopfhörer zum feinen Rotwein. Ein zeitlos schönes Album voller großartiger Momente, die beim immer-wieder-hören zunehmend mehr Zutraulichkeit an den Tag legen.
Platz 25: Nada Surf - Never Not Together
Das wunderbare „Song For Congress“, eine akustisch gehaltene Abrechnung mit den politischen Zuständen Amerikas, ist nicht einmal drauf auf „Never Not Together“; dem nächsten Beweis dafür, dass Nada Surf sich allerhöchstens selbst schlagen können. Dieser Song fasst eine der anderen Brandstätten des Jahres 2020 kongenial zusammen; auf dem aktuellsten Vollwerk machen Matthew Caws und seine Jungs das, was sie am besten können: Unwiderstehliche Popsongs schreiben, die durch Caws‘ nach wie vor jugendlich-frische Stimme auch nach so vielen Jahren Bandgeschichte immer noch unbelastet und unverbraucht klingen. Diese wunderbare Nada Surf-Energie ist nach wie vor unerreicht, Songs wie „Too Much Love“ gehören in jede gute Indie-Playlist des vergangenen Jahres. Das möge bitte noch lange so weitergehen.
Platz 24: Yune - Agog
Die Dänen von Yune veröffentlichten mit „Agog“ eine ganz wunderbare Indie-Folk-Platte mit herrlich artifiziellen Psychedelic- und Artpop-Einflüssen. Das hatte zuletzt das Revival von José Gonzalez‘ Band Junip so hinbekommen, und das ist immerhin schon sieben Jahre her. Wir treffen hier auf herrlich filigrane Klangwelten: Cineastische Gitarren, faszinierend atonale Phrasen, schwebende Vocals von Tobias Sachse, ideenreiches Songwriting, das immer wieder neue Preziosen entdecken lässt. Thema des Albums ist die Wüste, die hier metaphorisch für eine Vielzahl an Momentaufnahmen und Eindrücken steht: Einsamkeit und Leere, aber auch Unendlichkeit und Weite. Das große Plus von „Agog“ ist, dass all diese Aufgeladenheit zu keinem Zeitpunkt schwer wiegt, sondern dieser Sound mit einer begeisternden spielerischen Leichtigkeit dargeboten wird.
Platz 23: Postcards - The Good Soldier
Hätte das Orange Blossom Special Festival 2020 stattgefunden, die Postcards aus Beirut wären als neue Lieblingsband mit mir nach Hause gefahren. Der Auftritt des libanesischen Trios wäre ein Jahreshighlight geworden, wenn es live gehalten hätte, was das zweite Album „The Good Soldier“ versprach. Denn die (zugegeben gar nicht mal so neue) Mixtur aus Noise, Slowcore, Dream Pop und Shoegaze beherrscht die Band um Julia Sabra in Perfektion. Mal filigran-fragil à la Mazzy Star, dann wieder düster und bedrohlich-schwelend wie Slowdive, höchst melancholisch, höchst spannend und mit Songs wie „Fossilized“ dann sogar wieder so umarmend-eingängig zwischenher, dass diese Platte nicht nur etwas für den Kunstliebhaber ist, sondern auch dem geneigten Alternative-Pop-Feingeist blendend in die Karten spielt.
Platz 22: Phoebe Briders - Punisher
Phoebe Bridgers hatte mich 2019 in Zusammenarbeit mit dem grandiosen Conor Oberst als Better Oblivion Communication Centre begeistert, umso gespannter war ich auf ihr neuestes Solo-Werk „Punisher“, und ich wurde nicht enttäuscht - und mit mir feierten viele andere die Platte, nicht umsonst findet sich Phoebe Bridgers damit in so ziemlich jeder relevanten Bestenliste für 2020 wieder. Eine höchst berückende Soundkulisse zwischen karg und pur und ausladend und intensiv macht den wunderbar geschriebenen Songs ein weiches Bett, das klingt alles sehr elegant und versiert, auf der Klaviatur der Gefühlswelt tanzend wie ein werdender Erwachsener im Regen nach der Studentenparty. Und mit „Kyoto“ ist dann auch noch eine über die Maßen beeindruckende Single mit im Gepäck. Von dieser Frau möchten wir mehr hören.
Platz 21: Silverbacks - Fad
Nach wie vor ist es eine gute Zeit für düster-dystopischen Punk-Wave aus Großbritannien und Irland. Idles, Sleaford Mods, Fontaines D.C. - die Zahl der Bands, die der Dringlichkeit dieser Musik in dieser verworrenen Zeit Ausdruck verleihen, ist so groß wie ihre Qualität hoch. Und nun kommen auch noch die Silverbacks dazu, die wie die Fontaines D.C. (deren zweites Album „A Hero’s Death“ diese Liste übrigens nur knapp verpasst hat) aus Dublin stammen. Man muss sich nur alleine mal einen Song wie „Dunkirk“ anhören: Dieser nagende Stoizismus, diese resignative Lässigkeit, das ist alles so emotional angespannt wie befreiend, weil Songs wie dieser mit Zeilen wie „I lost my soul in manhood“ so manchen inneren Zwistigkeiten, die in uns kämpfen, ein klangliches Gerüst verleiht. „Fad“ ist ein wahnsinnig starkes Album, aufgrund seines tollen Songwritings aber auch nicht nur für aktive Weltverzweifler geeignet.
Platz 20: The Screenshots - 2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee
Das mag sauertöpfisch klingen, aber ich habe Spaß in Musik nicht so gerne in dieser Kombination. Also ich habe gerne Spaß zu Musik, aber stehe nicht so auf den Duktus. Wenn Bandmitglieder Dax Werner, Kurt Prödel und Susi Bumms heißen, bin ich schon schnell raus. Gott sei Dank bin ich adaptions- und lernfähig. Sonst hätten mir The Screenshots gepflegt den Buckel runterrutschen können und ich hätte nie herausgefunden, was für ein wunderbares Album „2 Millionen Umsatz…“ ist. Der Humor hier taugt mir. Ein höchst unterhaltsames Werk zwischen Indiepop und Punk ist das geworden, es entzieht sich erfreulicherweise jeder Albernheit, kommt sehr unbekümmert und funktioniert somit umso besser als Ohrfeige für alle Selbstoptimierer, Netzmenschen und medial Reizüberflutete, die das nicht zugeben wollen.
Platz 19: Aukai - Game Trails
Reisen: Nur ein Ding von vielen, die uns 2020 verwehrt hat. Das war letztes Jahr einfach nicht Phase, wenn man sich verantwortungsbewusst innerhalb dieser Gesellschaft bewegte. Aber das heißt nicht, dass es nicht fehlte. Somit ist „Game Trails“ von Markus Sieber alias Aukai das Reise-Album, das all diese damit einhergehenden Gefühlswelten, den Geist des Reisens, die Stille der Abgeschiedenheit zu Musik werden lässt und den Soundtrack zu dem Trip bildet, den wir nicht machen konnten. Sieber bedient sich dabei dem für die Anden typischen Saiteninstrument Ronroco, wodurch der Ambient-Folk-Sound auf „Game Trails“ nicht von ungefähr an den großen (Film-)Komponisten Gustavo Santaolalla erinnert. Definitiv schüren diese Klang-Kleinodien das Fernweh in schmerzhaftester Weise; ein liebevoll-introspektiver, berührender, das Kopfkino anregender Ausflug in die Weite.
Platz 18: Eastwood - It Never Gets Easy
Platten über gebrochene Herzen und Verzweiflung kommen einfach nicht aus der Mode. In den späten 90ern und frühen 00ern war das der gute Emo. Und immer noch findet man großartige Platten, die dieses Gefühl von angesäuselter Schwerstmelancholie perfekt einfangen. So wie von Eastwood, dem Nebenprojekt von Knocked Loose-Gitarrist Cole Crutchfield, dessen Hardcore-Vergangenheit sich aus „It Never Gets Easy“ nur sehr sporadisch herauslesen lässt. Die frühen Weezer oder Bands wie Modern Baseball und die Weakerthans stehen hier eher Pate, die Melodien kommen auf den Punkt, und nur wenige Ausbrüche, die aber pointiert und stets zweckdienlich eingebaut werden, bringen den nötigen Punch. Songs wie „False Start“ und „Two Dollar Hamm’s“ sind der perfekte Begleiter für die Gefühlsgemengelage zwischen Introspektivität und Aufbruchsstimmung.
Platz 17: Crucchi Gang - Crucchi Gang
Eine großartige gute-Laune-Platte gab es 2020 von Francesco Wilking, der offenbar ohne die große Konzertrutsche mit der höchsten Eisenbahn viel Zeit für neue Ideen hatte, sich das WhoIsWho des deutschsprachigen Indiepop einlud und deren feinstes Songmaterial auf italienisch übersetzte. Die Endresultate wurden dann von Steiner & Madlaina, Von Wegen Lisbeth und sogar Thees Uhlmann selbst eingesungen. Zusammen sind sie alle die Crucchi Gang. Da wird aus Von Wegen Lisbeths „Meine Kneipe“ „Al Mio Locale“ und aus Bilderbuchs „Bungalow“ macht der Maestro höchstselbst ein sonniges Aperol-Spritz-forderndes Italo-Pop-Kunstwerk. Sven Regener macht „Carta Biancha“ zu einem majestätisch-theatralischen Songwunder. Und überhaupt ist dieses Album der Urlaub, den wir 2020 mit gutem Gewissen nicht machen mochten, der uns durch unsere Speaker im Wohnzimmer aber dadurch gleich viel belohnender vorkam.
Platz 16: Field Medic - Floral Prince
Über Kevin Patrick Sullivan alias Field Medic stolperte ich eher zufällig und „Floral Prince“ ist sein erstes Werk mit dem ich in Berührung kam. Es ist ein Album, das wie wenig andere in dieses Jahr passen. Nicht nur wegen seiner melancholisch-introspektiven Grundhaltung, sondern auch wegen der Herangehensweise an das Recording: Nur mit einem 4-Track-Aufnahmegerät oder mit einem Handy, limitiert auf maximal drei Takes, wurden die Songs bei Sullivan zuhause eingespielt, die klassische Schlafzimmerplatte. Auf „Floral Prince“ kehrt Sullivan einmal alles nach außen: Seine Libido, seine Trinkgewohnheiten (eher zu viel als zu wenig und der Kater danach), die innere Zerrissenheit. Und das alles in einem, man kann es schon ahnen, sehr puren Gerüst aus Gitarre und Stimme, hier und da mal minimal ergänzt über ein wenig klangliches Beiwerk. Großartiger Lo-Fi-Folk mit genügend Witz, um nicht gleich mit in Selbstmitleid zu versinken.
Platz 15: Melenas - Dias Raros
Geheimtipp! Auf den ich eigentlich nur so richtig aufmerksam wurde, weil ich der spanischen Sprache so zugetan bin: Die Melenas sind eine All-Girl-Band aus Pamplona, die allerdings dem Klischee der sommerlichen Leichtigkeit, die mit Musik aus dem beliebten Urlaubsland allgemein einher geht, so gar nichts zu tun haben. Aber was war schon leicht im vergangenen Jahr? Vielmehr ist „Dias Raros“ ein höchst zwingender Mix aus Postpunk, Shoegaze, Vintage-, Desert- und Indie-Rock, also insgesamt äußerst versiert und vielseitig. Ein bißchen Psychedelik hier, ein wenig Düsternis dort (aber nie so viel, dass „Dias Raros“ zu kathartisch geraten würde, und alles das dargeboten in perfekter Garage Rock-Ästhetik, aber eben auch nicht zu Lo-Fi, nicht zu verschrammelt. Dafür mit mitreißendem Songwriting, wie auf dem fantastischen „No Puedo Pensar“. Zum immer wieder hören.
Platz 14: AnnenMayKantereit - 12
Das neue AnnenMayKantereit dürfte viele Fans verschreckt haben und ist gerade deshalb umso wertvoller. Eine Platte, die dieses verdammte 2020 verdient hatte, und die gleichzeitig eindeutig ein Produkt dieser weltfernen Zeit ist. Entstanden im Lockdown und bittesehr chronologisch zu hören, reflektieren Henning May, Christopher Annen und Severin Kantereit all die Verzweiflung, die Einsamkeit, die Resignation, das ehrliche Vermissen und die zaghafte Hoffnung auf den Silberstreif am Horizont in sehr reduzierten und überhaupt nicht festivaltauglichen Songs. Keine mitsingfähigen Slogans, dafür der Beweis, dass diese Band deutlich mehr kann als Lieder über das Gefühlswirrwarr von Mittzwanzigern zu schreiben, und das ist ihnen gar nicht hoch genug anzurechnen, künstlerisch gesehen. Inhaltlich wirken die Songs auf „12“ eher wie ein innen-nach-außen-kehren eines guten Freundes, den man viel zu lang nicht mehr gesehen hat und den man nach dem letzten Ton unbedingt anrufen möchte.
Platz 13: beabadoobee - Fake It Flowers
Alles kommt wieder, die 90er natürlich auch, und während viele diese Dekade spöttisch als das Trash-Jahrzehnt abstempeln (danke Rednex, Haddaway und Caught in the Act!), gab es gerade unter den weiblichen Songwritern „damals“ auch reichlich hochklassige Platten zu bejubeln. Von Alanis Morissette oder Heather Nova zum Beispiel. Die hat Bea Kristi ganz offensichtlich auch gehört, auch wenn die Zwanzigjährige definitiv kein Kind der 90er ist. Und sie hat Gefallen daran gefunden, was man ihrem Debüt-Album „Fake It Flowers“ auch definitiv anhört. Schön kraftvoller Sound, stark einprägsame Melodien, genau der richtige Mix aus Teenage Angst und Faust in der Luft. So ziemlich jeden Song der Platte hätte man im Soundtrack von „Dawson’s Creek“ unterbringen können. Das größte Kunststück ist aber, wie frisch und unverbraucht das klingt. Macht große Freude.
Platz 12: Boy Pablo - Wachito Rico
Immer mal wieder kommt herrlich sonnendurchfluteter Indie-Pop aus dem kalten Norwegen. Nach Erlend Øyes The Whitest Boy Alive und den famosen Kakkmaddafakka nun also Nicolas Pablo Munoz alias Boy Pablo, bei dem man ob seiner chilenischen Wurzeln eine gewisse südamerikanische Gelassenheit von vornherein hatte erwarten dürfen. „Wachito Rico“ ist sonnengewordene Popmusik, unheimlich lässig und zurückgelehnt, mit dezenten, entspannten Beats und herrlich einprägsamen Melodien: Bitte mal „Honey“ oder „Hey Girl“ genießen! Vielleicht ist „Wachito Rico“ die perfekte Sommerplatte - oder vielleicht wäre sie es gewesen, immerhin ist sie erst im Herbst erschienen. Aber dieses Werk ist so gut, dass es mit Sicherheit auch noch bis zu den ersten warmen Tagen im neuen Jahr nachklingt.
Platz 11: Frida Annevik - Andre Sanger
Cover-Platten gibt es wie Sand am Meer, die meisten sind verzichtbar. Schön wird es immer dann, wenn Alben mit Coverversionen vor allem eine Verneigung sind und eine Uminterpretation mit sich bringen, die Sinn ergibt. So wie bei der Norwegerin Frida Annevik, die wohlbekannte (und auch weniger geläufige) Weisen in einen betörend schönen skandinavischen Indie-Folk-Kontext bringt - und das dann auch noch in norwegischer Sprache, um die winterliche Melancholie auf den Punkt zu bringen. Am eindrucksvollsten gelingt das der Künstlerin auf Joni Mitchells „From Both Sides Now“ („En Og Annen“), dessen elegische Feierlichkeit schon beinahe in Sigur Rós-Sphären vorstößt, und auf Janis Ians „At Seventeen“ („Søtten år“), bittersüß und wunderschön. Dass sogar „Say You’ll Be There“ von den Spice Girls in diesem klanglichen Kontext funktioniert, das ist vielleicht das beeindruckendste an „Andre Sanger“, der wundervollsten Winterplatte des vergangenen Jahres.
Platz 10: Knuckle Puck - 20/20
Stoßen wir vor in die Top 10 und beginnen mit einer Platte, die kein Mensch braucht und nach der auch keiner gefragt und um die auch keiner gebeten hat. Das klingt jetzt hart, funktioniert im Fall von Knuckle Puck aber komplett als Qualitätsmerkmal. Denn in diesem anstrengenden 2020 musste neben allem künstlerischen Anspruch auch ein Ohr für lupenreinen Powerpop-Punk offen bleiben. Einfach weil es Spaß macht. Und da waren Knuckle Puck tatsächlich die allerbeste Adresse. Natürlich hat man ein Album wie „20/20“ schon tausendmal gehört. Vor allem um die Jahrtausendwende herum, als die Rezeptur von Emo, Pop und Punk zum guten Ton gehörte. Songs wie „Earthquake“ oder „Breathe“ sind natürlich durch und durch amerikanisch, hätten in jedem halbgaren College-Flick den Tag gerettet und funktionieren gerade deshalb so herrlich retrospektiv mit ihrer ungebremsten Energie und Melodieverliebtheit. Die satten Riffs, die nölige Emo-Stimme, und sofort ist es wieder 1999, man trifft sich später noch mit den besten Freunden am See, du bringst das Bier mit, wir losen aus wer fährt, denn abends geht es noch ins Kino mit dem frisch erworbenen Führerschein, es läuft „American Pie“. Man mag mir Retro-Verklärtheit attestieren und dieses Album wirklich (und vermutlich mit Fug und Recht) für komplett künstlerisch unrelevant halten - es hat aber im vergangenen Jahr wirklich den allermeisten Spaß gemacht, und Spaß hatten wir alle bitter nötig.
Platz 9: Moddi - Like In 1968
2020 war für mich auch ein Moddi-Jahr. Da wäre zunächst mal der offizielle Release seiner deutschsprachigen und unfassbar wundervollen Version von „House By The Sea“ als natürlich auch der grandiose Duo-Auftritt beim digitalen Heimspiel Knyphausen. Dass der Norweger ein spannender Künstler ist, wusste ich schon vorher - er tritt unter anderem auch als Aktivist in Erscheinung und hat vor zwei Jahren mit „Unsongs“ ein Album mit Neuvertonungen in ihren Herkunftsländern indizierter Lieder aufgenommen. Und auch „Like In 1968“ ist wieder ein Konzeptalbum, begibt sich zurück in eine Zeit, in der Love & Peace die Antwort auf große Unruhe und Angst in der Gesellschaft waren. Na, klingelt’s schon? Die Parallelen zum Trump-Amerika und der Weltlage von 2020 sind ja fast schon beängstigend, und auch dieser Tage wäre das Propagieren von Liebe, Frieden und Solidarität ein guter Weg. So gesehen klingt „Like In 1968“ natürlich nach Indie-Folk und dezenter Psychedelik, funktioniert durch seine Wärme und Weisheit aber auch ganz ausgezeichnet als richtungsweisender Seelentröster bei all den Ängsten und Sorgen, die uns dieser Tage so umtreiben. Dank Moddis unverwechselbarer Stimme legt sich ein Umhang aus Fürsorglichkeit um uns, die aufreibenden Momente der Platte wirken somit nochmal intensiver nach. Großartiger Künstler, großartige Musik.
Platz 8: Linhay - On How To Disappear
Viele Referenz-Bands wurden mit Linhay aus Kiel in Verbindung gebracht, darunter Epigonen des 90s-Midwestern-Emo von The Promise Ring, Cap’n Jazz oder den Get Up Kids, aber bei mir klingelte die Band um Jörn Borowski eine ganz andere Glocke. Da gab es doch mal diese wunderbare Band namens Sometree, die ich seit ihrer Auflösung schmerzlich vermisse. Dieser Schmerz, diese Melancholie, die sich durch die stimmungsvollen, zwischen Emo, Indierock, Ambient und Postrock changierenden Songs zieht, dieser allgegenwärtige Zweifel an den Ist-Zuständen unserer fragilen Existenz, all das findet sich auch bei Linhay. Wobei ich beide Bands damit höchstens in einen geistigen Zusammenhang bringen möchte: Zu eigenständig klingt der Sound von Linhay, bei dem hier und da auch Hardcore-Verweise durchklingen, wenn sich hallendes Geschrei durch den elegisch-sphärischen Sound einen Weg bahnt und der tiefen Introspektiertheit von Songs wie „In Sunshine And In Shadow“ eine noch größere Intensität verleiht. Linhay verleihen einem Sound Aktualität, der nun also schon seit zwei Dekaden dabei hilft, unser Innerstes nach außen zu kehren - das darf man ihnen als Höchstleistung zugute halten. „On How To Disappear“ ist ein beeindruckendes Kunstwerk, das beweist, dass die Geschichte des Emo-Rock nicht auserzählt ist.
Platz 7: Hvalfugl - Øjeblikke Vi Husker
Ich erinnere mich an einen wunderschönen Sommerabend im Garten meiner Eltern in Ostfriesland. Die Hitze des Tages hatte sich schlafen gelegt, vor mir stand ein herrliches Glas kalten Weißweins und aus dem Bluetooth Speaker erklang dieses Album: Ein Jazztrio aus Dänemark, dem man seine skandinavische Herkunft schon bei den ersten Tönen anhört. Nun ist Jazz spätestens seit dem großen Kamasi Washington wieder en vogue - mit dessen ausufernden, Anleihen bei Soul und Funk nehmenden Prachtwerken hat die Musik von Hvalfugl allerdings herzlich wenig zu tun. Die Melodien stehen im Vordergrund, und von denen hat „Øjeblikke Vi Husker“ gleich ganz schön viele zu bieten, die sich schnell und nachhaltig im Ohr festsetzen. Mehr als Gitarre, Bass und Schlagzeug braucht diese Band nicht. um in Gänze zu betören und vollends zu überzeugen: Melancholisch-warme Farbtupfer, nordisch kühl, umschmeicheln die Sinne; die Nachdenklichkeit dieser wundervollen Klang-Kleinodien malen ein Bild von Feuer im Kamin und Blick in die Ferne aus dem Fenster. Musik für Momente des Innehaltens und andächtigen Lauschens, fein aufgeschichtete Muster, sich gleich Geschichten von einem Erzähler mit beruhigend sonorer Stimme vorgetragen entfaltend, der es gut mit einem meint. Das Schlagzeug hält sich dabei angenehm zurück: So zurückgezogen dargeboten bekommen die Melodien von Hvalfugl genau den Raum, den sie brauchen, um tief zu beeindrucken.
Platz 6: Bright Eyes - Down In The Weeds, Where The World Once Was
Ein neues Album von Bright Eyes hatte ich gar nicht mehr für möglich gehalten. Dass es trotzdem dazu kam, ist ein großes Glück, denn auf einmal ist das altbekannte Gefühl von Verbindung zum Künstler Conor Oberst wieder da, das seine Solo-Werke mir nie bieten konnten. Das Desaparecidos-Revival vor sechs Jahren und die Kollaboration mit Phoebe Bridgers als Better Oblivion Communication Centre waren fraglos sehr fein, hatten aber eben nichts mit der tonnenschweren Melancholie und der zwingenden Intensität von Conor Obersts Hauptband gemein. Tatsächlich klingt „Down In The Weeds, Where The World Once Was“ wie ein nahtloser Anschluss an „The People’s Key“, und das ist immerhin schon satte neun Jahre alt. Und abermals dient Oberst seine Musik als Ventil zur Verarbeitung all des Schmerzes, den das Leben für ihn bereit hielt, wie den Tod seines Bruders vor ein paar Jahren und die Trennung von seiner Frau im vergangenen Jahr (davon abgesehen ist es um die Welt im Allgemeinen und Amerika im Speziellen ja ohnehin nicht besonders gut bestellt; der apokalyptische Grundton der Platte kommt wahrlich nicht von ungefähr). Die majestätische Feierlichkeit des Sound-Gerüsts und Conor Obersts zerbrechliche Stimme sind immer noch ein wunderbares Duo, um mit kalter Hand nach unseren Herzen zu greifen. Besonders arg wirkt sich aus, dass das jugendlich-aufrührerische als Konter entfällt und einer altersmüden Resignation gewichen scheint. Dabei ist Conor Oberst gerade erst 40 geworden.
Platz 5: BLOMMA - BLOMMA
Im Internetz fand ich zu BLOMMA die kurze, aber exakte Beschreibung „Neon lights playing a symphonic suite“. Bei den wunderbaren Kanadiern von Moderna Records erscheinen eigentlich sowieso ausschließlich brillante Werke, wenn man es mit den Genres Ambient und Neoklassik hält. Und auch das erste Album von Jacob Pavek und Philip Daniel unter dem Moniker BLOMMA macht da keine Ausnahme. Überraschend war für mich daher nur, dass das gleichnamige Vollwerk rein digital erschien - ich hätte es mir gerne auch als Vinyl ins Regal gestellt. Grundsätzlich ist „BLOMMA“ ein klassizistisches Album, dessen künstlerische Versiertheit sich während seiner Spielzeit immer mehr entfaltet. Mit Piano und Streichinstrumenten ist der Unterbau erstmal gesetzt, dann kommen die Synthesizer dazu, dann die Beats - und damit erreichen BLOMMA dann das Alleinstellungsmerkmal, das die Platte für mich zu dem gelungensten Contemporary-Werk aus 2020 macht. Denn jedes einzelne Stück entwickelt so nach und nach einen unwiderstehlichen Flow, der sogar tanzbar ist. Der Weg von cineastisch-elegischen Soundscapes auf den Dancefloor ist manchmal ein überraschend kurzer, wie auf dem sich immer mehr in einen Klangrausch steigernden „Disco“, bei dem sofort Erinnerungen an Olafur Arnalds’ Seitenprojekt Kiasmos wach werden. „BLOMMA“ ist ein berauschendes Album, kunstfertig und mitreißend, das einen so schnell nicht aus seinem Bann entlässt.
Platz 4: Son Little - Aloha
„Future Soul“ nennt Aaron Earl Livingston alias Son Little seine Musik, und dass er das ernst meint, beweist er durch die ungeheure Verve, mit der er auf seinem dritten Album „Aloha“ den klassischen Soul mit Blues, R&B, Hip Hop und Garage Rock anreichert. Meine Assoziation war anfangs sogar eine ganz andere: Ich sah diesen Typ vor mir auf einer kleinen Bühne in einer Strandbar nach einem anstrengenden, aber gleichsam belohnenden Surftag. So entspannt und zurückgelehnt klingt Son Little hier, so cool, dass seine Musik nach einem knallheißen Tag genau die richtige Abkühlung verheißt. Dafür spricht auch, dass Livingston sich das ausufernde Instrumentarium spart; hier ist weniger einfach mehr. Das verleiht seinem Soul eine sehr zupackende Erdigkeit. Dass Son Little die Gitarre in den Fokus rückt, öffnet ihm dann eben auch ganz nonchalant die Tür zum Rock, doch er durchschreitet sie nicht, bleibt zwischen den Genres und richtet sich in seinem eigenen Zimmer häuslich ein. Mein persönliches Lieblingsstück ist das deepe „About Her. Again“ - gerade diesem Song steht die Reduktion auf die wesentlichen musikalischen Elemente ausgezeichnet; hier verneigt sich Son Little auch tief vor den Blues-Epigonen, die ein so immens großes Erbe hinterlassen haben, das Aaron Earl Livingston nun auf äußerst stilvolle Weise zu verwalten gedenkt. Sein Konzert in Hamburg ist leider der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen - ein etwaiger Nachholtermin dürfte in hoffentlich baldiger Zukunft eine ziemlich starke Erfahrung werden.
Platz 3: Alex Henry Foster & The Long Shadows - Windows In The Sky
Was für ein Typ, was für ein Monster von Album. Alex Henry Foster ist Kanadier und hat eine reiche Vita: Musiker, Songwriter, Sänger, Produzent, Komponist, Aktivist, Sozialarbeiter und sogar Ex-Gangmitglied. Ganz schön viel Stoff für schmale 30 Jahre Lebenszeit. Da kann man viel erzählen und lange Songs schreiben. Was heißt hier Songs? Epen, Baby, Epen!!! Beim Reeperbahn Festival 2019 spielte Foster ein unfassbares Konzert in Angie’s Nightclub und brachte exakt drei seiner Stücke in einer Dreiviertelstunde Stagetime unter. Das liegt an deren Länge, ganz ohne Frage, aber auch daran, dass er es mit seiner siebenköpfigen Band unvergleichlich versteht, sich immer weiter und weiter zu steigern, ausufernd und so wuchtig, dass es einem die Schuhe auszieht. Die Musik von Alex Henry Foster zu beschreiben, ist gar nicht so einfach: Ein Hybrid aus Post-Rock, Shoegaze, Krautrock, Psych, Progressive und Punk trifft es wohl am ehesten, bis an die Schmerzgrenze kathartisch, die tonnenschweren Lyrics vorgetragen in einer Mischung aus Singsang, Schreien und Spoken Word-Passagen. Da steckt Pathos drin bis die Ohren rauschen, das ist so intensiv-kathartisch, dass man sein befreites Lächeln nach der Show kaum glauben will. Und dazu ist Alex Henry Foster auch noch ein unglaublich angenehmer Gesprächspartner, der die Nähe zu seinen Zuhörern sucht wie ich es noch nie gesehen habe, sich mitteilt und austauscht und so ein großes Ganzes erschafft. Besteller seines ersten Albums „Windows In The Sky“ lag sogar ein handgeschriebener Brief bei. Muss man erstmal so machen. „Windows In The Sky“ ist keinesfalls für jeden was, für mich jedenfalls ist es eines der spannendsten Alben der letzten, sagen wir mal, zehn Jahre.
Platz 2: The Streets - No One Is Getting Out Of This Life Alive
Das hätte dieses Jahr triumphal werden können für Mike Skinner und The Streets: Das erste Album seit Ewigkeiten, und was für eins, und dann kann man damit nicht mal auf Tour gehen. Wobei Album im Grunde das falsche Wort ist: „No One Is Getting Out Of This Life Alive“ versteht sich eher als Mixtape; für jeden Track hat sich Skinner einen anderen Gast ins Boot geholt, und entsprechend divers präsentiert sich auch der Sound der Platte. Das hätte gut gehen können und nett werden können, das hätte in die Hose gehen können - es wurde das beste Streets-Album seit „Original Pirate Material“. All killer, no filler, könnte man sagen. Und gerade die Vielseitigkeit der Platte ist ihre ganz große Stärke. Auf dem Titeltrack gastieren die wütenden Idles, und das hält, was es verspricht. Tame Impalas Gastauftritt auf „Call My Phone Thinking I’m Doing Nothing Better“ verleiht dem Song die nötige Catchiness. Und dann sind da noch zwei Stücke, die zu dem besten gehören, was Mike Skinner je herausgebracht hat: „I Wish You Loved You As Much As You Loved Him“ mit Donae’o und GreenTea Peng entfaltet einen unwiderstehlichen Sog zwischen Garage, House, HipHop und Dancehall; gerade der Wechsel zwischen den Elementen drückt dir das breiteste Grinsen des Jahres ins Gesicht. Und dann ist da natürlich noch „Take Me As I Am“, auf dem Chris Lorenzo gastiert: Absolut four to the floor, ein Banger der ganz großen Klasse, und hätten die Clubs geöffnet, würde man unbändige Freude mit diesem Stück haben; eine Art fortgeschrittene Version von Dizzee Rascals „Bonkers“. „No One Is Getting Out Of This Life Alive“ muss man einfach lieben, es ist schlicht perfekt.
Platz 1: Sebastian Maschat & Erlend Øye - Quarantine At El Ganzo
Ein Album des Jahres, das dieses Jahr verdient hat. Aber auch: Ein Album des Jahres, das dieses Jahr gebraucht hat. Die Story geht so: Anfang 2020 veröffentlichen The Whitest Boy Alive die erste Single seit ihrer Auflösung vor sechs Jahren. Man hat wieder Bock und möchte ein neues Album aufnehmen. Dazu begibt man sich nach Mexiko, aber nicht zusammen: Erlend Øye und Sebastian Maschat reisen schon mal vor und richten sich in einem Hotel in El Ganzo ein, einer beliebten Unterkunft für Musiker, zumal das Hotel über ein eigenes Studio verfügt. Dann geht alles ganz schnell: Das Corona-Virus bricht aus, das Leben kommt auf der ganzen Welt zum Erliegen, Øye und Maschat sitzen in Mexiko fest und die Band kommt nicht zusammen. Zufällig befinden sich in dem Hotel noch weitere Musiker, man lernt sich kennen und versteht sich gut. Erlend Øye hat Songs im Gepäck, Sebastian Maschat hat Songs im Gepäck. Warum nicht einfach eine Platte machen? Die heißt treffenderweise „Quarantine At El Ganzo“, und so sehr sie aus der Not geboren ist: Dieses Album ist ein wahres Fest. Zum einen, weil sie wieder einmal ganz deutlich macht, was für ein wunderbarer Songwriter der Norweger Øye ist, ob nun solo oder mit La Comitiva, mit den Kings Of Convenience oder für The Whitest Boy Alive. Zum anderen, weil Sebastian Maschat, der die andere Hälfte der Songs auf „Quarantine At El Ganzo“ geschrieben hat, auch über eine ganze Menge Talent verfügt. Wie auf dem wunderbar sommerlich-lockerleichten Opener „Wipeout“ mit seiner herrlichen Naivität: „Oh my god, surfing is so cool!“. Herrlich auch der „Wedding Song“: „How can anyone want to be with just one person all of their lives?“. „Price“, „Only Just Begun“ oder „Quarantime“ machen unfassbar gute Laune, klingen sonnig und entspannt und zeigen vor allem, wie man die Krisen des letzten Jahres bewältigen konnte: Mit Kreativität und guter Laune. Eine vollkommen verdiente Numero Uno. Text: Kristof Beuthner