Rezensionen 22.02.2018

All The Luck In The World - A Blind Arcade [ATLITW / Rough Trade]

Es ist manchmal einfach am besten, den Dingen Zeit und Raum zu geben. Die drei immer noch ziemlich jungen Iren von All The Luck In The World hätten ja genauso gut den Erfolg ihres Debüts von 2014 gleich auszubauen versuchen können. Sie haben sich zum Glück anders entschieden.

„Never“, die Single, die man mit dieser Band am ehesten verbindet, war dabei gar nicht der stärkste Song auf dem wirklich immer noch wunderschönen Debüt von All The Luck In The World. Der mit dem größten Massen-Appeal jedoch wohl, und so wurde er dank exzessiven Werbe-Airplays für eine Reise-Suchmaschine auch schnell zum nervigsten Song der Platte. Ärgerlich, wer daraus seine Schlüsse für den Rest von „All The Luck In The World“ zog - Indiefolk-Kleinodien wie „Conquer“, „Dark Eyes“ oder „Haven“ sollten auch heute noch dringlichst Bestandteil jedweder Lonesome-Twosome-Playlists sein. Wie dem auch sei, der Erfolg des Trios war gegeben, und es wäre wohl nur nachvollziehbar gewesen, wenn die Band daraus hätte schnell neuen Profit schlagen wollen und sich rasch zurück ins Studio begeben hätte - das Gegenteil war der Fall, denn für den Nachfolger „A Blind Arcade“ gönnte man sich eine Familienportion Ruhe und Rückzug. Gut so.

Denn der Nachfolger klingt nicht wie ein Aufguss oder eine Neuinterpretation seines erfolgreichen Vorgängers, sondern wie eine geglückte klangliche Weiterentwicklung, die nun mal Zeit gebraucht hat. So reduziert wie Neil Foot, Ben Connolly und Kelvin Barr auf ihrem Debüt zu Werke gingen, könnte man zwar beinahe jedes neu hinzugefügte Instrument schon als Indikator für ein erfolgreiches Sound-Upgrade werten, doch es sind tatsächlich die vielen, bei jedem Hördurchlauf immer präsenter werdenden kleinen Ideen, von Samples und Percussions, fein ziselierten Streichern und einem Hauch von bombastischer Hymnenhaftigkeit, die beispielsweise Stücken wie „Golden October“ anhaftet und das sehr simple Konzept der leicht-jungenhaften Leadstimme zur gezupften Gitarre wesentlich bereichert. Durch den Entstehungsprozess der Platte, für die sich das Trio einen Holzschuppen im irischen Heimatort zu einem kleinen Studio umbaute, das sie „Haven“ taufte, erklärt sich auch die neu entdeckte Liebe für die immer noch stilsicheren Folk-Melodien untermalende Field Recordings, die allesamt aus der natürlichen Umgebung ihres neuen Domizils stammen. Das verleiht „A Blind Arcade“ ein wunderbar naturbelassenes Flair, das auch durch das finale Mastering im Golden Retriever Studio in Berlin nicht verloren gegangen ist. Elf Songs lang ist das wundervoller Indie-Folk-Pop, feinfühlig und stilsicher, dabei aber eben auch experimentierfreudig und frisch. Stücke wie „Landmarks“, „Starboard“ oder die Single „Contrails“ haben mit ihrer wundervollen Melodieführung und der ungeheuren Innigkeit das Potential, sich ähnlich lang in den besten Playlists zu tummeln wie die lieb gewonnenen Songs des Debüts von All The Luck In The World. Und die gute Nachricht: Es gibt schlicht keinen „Never“-Song mehr, der einem so schnell gefällt wie man ihn sich wieder fortwünscht.

Im Zuge des letzten Schliffs für die Platte in Berlin ist die Band übrigens geschlossen in die Hauptstadt gezogen - man darf wohl gespannt sein, was das für Auswirkungen auf Album Nummer 3 haben wird.


Text: Kristof Beuthner