Rezensionen 08.09.2018

Death Cab For Cutie - Thank You For Today [Atlantic / Warner]

Seit Chris Walla nicht mehr mit im Boot sitzt, ist Ben Gibbard in punkto Songwriting auf sich alleine gestellt - eine Prämisse, die auf dem ersten Album ohne Walla, „Kintsugi“, nicht in jeder Hinsicht gut funktoniert hat. Aber vielleicht ist das Problem in Wirklichkeit auch ein ganz anderes.

Natürlich ist es nicht vorauszusetzen, dass eine Band über so viele Jahre gleich wirkt. Das hat nicht unbedingt nur etwas mit ihr selbst zu tun, sondern auch mit dem eigenen, sich ständig entwickelnden Lebensgefühl. Als dereinst 2003 „Transatlanticism“ erschien, war es das Überwerk der Band, und auch wenn „Plans“ von 2005 den internationalen Durchbruch markierte (inklusive Power-Pushing durch die US-Soap „O.C. California“), war das beim Grand Hotel van Cleef erschienene „Transtalanticism“ das Album, das mich durch meine Studienzeit trug, mit allen Höhen und Tiefen. Es wäre vermessen, anzunehmen, dass jedes in der Folge erschienene Album diese Zeit wieder wachrüttelt - ich als Hörer entwickle mich weiter; die Band entwickelt sich weiter; und Death Cab For Cutie entschwand mir Album für Album mehr und mehr. Und natürlich, das räumt Ben Gibbard selber ein, befinden sich auch die Bandmitglieder - zumal inzwischen natürlich auch im gesetzten Alter - nicht mehr auf der Höhe ihrer aufrührerischen, waidwunden Lebensphase. Das Problem ist: Die meisten Bands klingen gerade in dieser Phase am Besten, und den Lebensschmerz der heutigen Mittzwanziger räumen inzwischen andere aus der Welt. Wo also ist noch ein Platz für die all time-Lieblingsband Death Cab im Jahr 2018? Nun: Alles ist endlich, und jeder Output könnte der letzte sein. In diesem Sinne: Thank you for today. Dass sich Mastermind Chris Walla inzwischen von Death Cab For Cutie verabschiedet hat, sollte dabei gar nicht so sehr als Makel gelten: Auf dem 2011er „Codes & Keys“ war er noch dabei, und die Platte ist aus meiner Sicht die am wenigsten relevante gewesen. Sie zeigte aber einen Weg vor, den „Kintsugi“ und nun eben auch „Thank You For Today“ weiter beschreiten: Death Cab opfern eben mehr und mehr die emotionale Tiefe ihrer frühen Alben, das Unstete und Unperfekte, einem immer glatter gestrichenen Pop, der zwar noch gefällt, aber nur noch äußerst selten berührt. Das repetitive Element im Opener „I Dreamt We Spoke Again“, der mit reichlich wenig Text auskommt, funktioniert nicht wie das magische Bassriff dereinst auf „I Will Possess Your Heart“, schlimmer noch: Beim Refrain sieht man eine Band vor sich, die nur noch ihr Können verwaltet. „Summer Years“ bietet zappelige Beats und hübsche Gitarrenläufe und lehnt sich noch am ehesten an frühe Alben wie „The Photo Album“ an. Und was geht bei „Gold Rush“? Kurz glaubt man, „Kids“ zu hören, das Duett von Robbie Williams und Kylie Minogue aus den frühen 00er Jahren. Nein, das ist alles nicht schlecht, um Gottes Willen - aber es hat eben auch nicht mehr dieses Überragende, Umarmende, Intensive von einst. Es gibt aber trotzdem immer noch genügend hübsche Momente: „When We Drive“ klingt nach leicht elektrifiziertem Yacht Rock, „Autumn Love“ weckt tatsächlich kurze „Transatlanticism“-Erinnerungen. Das abschließende „60 & Punk“ reflektiert dann den Fluch und den Segen in der Entwicklung dieser Band dann ganz gut: „There’s nothing funny about you slippin‘ away“, „It’s nothing righteous being 60 and punk“ - Ben Gibbard und seine Jungs sind mit ihrem Publikum gealtert, und für den gesetzten Musikhörer ist diese Platte sicherlich für die Autofahrt zu den Schwiegereltern oder den Nachmittag im Sessel sehr schön geeignet. Für jeden, den noch mindestens ein Bein immer wieder in den gleichen Schlamassel namens Leben zieht, ist „Thank You For Today“ hingegen einfach zu wenig überraschend oder gar packend. Das ist insgesamt ein wenig schade.


Text: Kristof Beuthner