Rezensionen 25.09.2018

Fatherson - Sum Of All Your Parts [Easy Life Records / The Orchard]

Manchmal ist es gut, alles hinter sich zu lassen: Fatherson aus dem schottischen Kilmarnock umschifften nach einem grandiosen Debüt mit ihren zweiten Werk „Open Book“ die Kitschfalle oft nur knapp und fühlten sich nach langem Touren ausgebrannt. Ein Neustart schien die beste Option für Ross Leighton und seine Jungs - so klingt Album Nummer 3 namens „Sum Of All Your Parts“ auch.

Spulen wir kurz zurück ins Jahr 2014, als „I Am An Island“ erschien und fulminant einschlug; jemand sagte damals zu mir, Fatherson spielten große Musik, die den Weg in große Hallen aber wohl nie finden werde - zu viele Haken schlugen gnadenlos starke, emotionale Hymnen wie „I Like Not Knowing“ oder „James“ dann doch, fanden die Mitte in leidenschaftlichem Gesang Leightons und We Were Promised Jetpacks-Intensität. Ganz offensichtlich suchte die Band den Weg in eben diese Hallen dann aber doch; der Nachfolger „Open Book“ geriet zwar deutlich zupackender und poppiger, dadurch aber auch leider ein Stück weit beliebiger. War „I Am An Island“ noch eine Hitplatte durch und durch, blieben vom Zweitling nur die Singles „Always“ und vor allem „Just Past The Point Of Breaking“ mit seinem unwiderstehlichen Leadriff nachhaltig im Gedächtnis.

Nun also alles auf Null, alles zurück - nicht in Bandbesetzung und Charisma (Ross Leightons wunderbar exhaltierte Vocals dürften uns alles erzählen), wohl aber in Habitus und Songwriting. „Sum Of All Your Parts“ präsentiert uns zwar keine neuen Fatherson und Gott sei Dank auch keine Stilkehrtwende, da wird immer noch kraftvoll-emotionaler Breitwand-Rock gespielt, aber mit weit mächtigeren Riffs und auch mal atonalen Kanten wie am Anfang der Single „Making Waves“, wenn Ross Leighton scheinbar an den ersten Gitarren-Licks vorbei singt, um das Stück dann doch wieder mächtig und strahlkräftig aufzutürmen. Im Opener „The Rain“ starten Fatherson sogar mit einem Klavier bevor die Drums einsetzen und der Bombast-Rock, der die Band nicht von ungefähr ins Vorprogramm von Biffy Clyro oder Twin Atlantic gespült hat, sich Bahn bricht. Doch das Stück bleibt die Ausnahme in punkto Opulenz und Emo-Glanz; „Sum Of All Your Parts“ klingt deutlich rauer und ungeschliffener als beide Vorgänger, strahlt dafür aber eine noch intensiver wirkende Power aus, und man merkt deutlich, dass der Wille, sich über die Konventionen und bereits erhaltene Schubladen zu erheben, der Band Flügel verliehen hat. Die Platte klingt nicht nach einem Kompromiss oder nach gewolltem Rückwärtsgang, mit Postrock-Gitarren und Shoegaze-Elementen sogar stilistisch trotz all der Roughness breiter und offener, vor allem aber deutlich selbstbewusster als die ersten beiden Alben. Das könnte Ross Leighton nebst Band den oben genannten großen Hallen wieder ein Stück ferner rücken lassen, aber das Risiko dürften Fatherson gerne in Kauf nehmen - für so viel spürbare Einigkeit und Selbstvertrauen kann man den Verlust von ein paar Pop-Fans schon mal in Kauf nehmen.


Text: Kristof Beuthner