Rezensionen 13.09.2018

Jonathan Jeremiah - Good Day [PIAS / Rough Trade]

Es scheint ja dieser Tage der blanke Hohn zu sein, wenn man öffentlich von sich gibt, dass nicht alles schlecht ist. Der Londoner Jonathan Jeremiah aber hat sie gefunden, die schönen Dinge, die kleinen Momente im Alltag, die dieses Leben dann doch lebenswert machen. Und er hat ein Album darüber geschrieben.

Jahrhundertsommer wegen Klimaerwärmung, Nazi-Spacken in Chemnitz, Umweltverschmutzung in den Weltmeeren - Ja, es gibt viel Grund, zu hadern und zu zweifeln an der Richtigkeit der Welt, wie wir sie kennen. Aber wenn man mal loslässt, sich daran erfreut, dass die Sonnenstrahlen des goldenen Herbstes so schön durchs Zimmerfenster strahlen, während ein Glas Rotwein auf dem Tisch steht und sich die Gitarre in der Hand so gut anfühlt, die Katze mal eben auf den Arm kommt und abends spontan ein Kumpel anruft und ins Kino einläd, dann kann das Leben schon auch ganz süß sein. Jonathan Jeremiah geht es auf seinem vierten Album aber auch um das Loslassen in Form von Kontrollverlust, denn wenn es nach ihm geht, ist die größte Geißel des menschlichen Glücks, dass es kontrolliert und geplant sein will. Einfach mal machen, ohne die ganz große Sicherheit zu haben, was morgen kommt, oder: Sich nicht binden an materielle und monetäre Dinge, einfach die Einfachheit genießen, und schauen, was dabei heraus kommt - das ist eher die Devise des Londoners, der mit dem Album, das er dann auch „Good Day“ genannt hat, endlich zu sich selbst gefunden hat. „Manche Dinge“, sagt er, „brauchen halt ein bisschen länger - Ich brauchte ein Weilchen, um herauszufinden, wer ich bin und worüber ich singen möchte“. Das ist alles andere als weltfremd, denn ein Recht auf die glückliche, positiv gestimmte Nische haben wir ja alle. Wenn man dann den Break nimmt vom Protestieren und Verbessern, dann käme auch ein Sound wie auf „Good Day“ für den Hintergrund gerade recht: Ein unwiderstehlicher Groove mit perlendem 60s-Soul-Appeal, genauso nah am Folkpop wie am Gospel, mit Streichern und Hörnern in klassisch cineastischem Ambiente - kein Wunder, dass dieser Sound auch John Barry, dem großen James Bond-Komponisten, gefällt, der „Good Day“ produziert hat. Doch im Zentrum liegt stets Jonathan Jeremiahs großartige Stimme, tiefdunkel und warm, aber mit genau dem bluesigen Kratzen darin, das glaubhaft macht, dass dieser Typ etwas zu erzählen hat. Und wenn es nur die sprichwörtliche Hand ist, die er uns hier auf die Schulter legt, um uns die Wirren des Alltags leichter erträglich zu machen mit diesem spätsommerlich-schmachtenden Prachtwerk - diese Platte ist eine wahre Wohltat und Balsam auf unsere Seelen.


Text: Kristof Beuthner