Rezensionen 14.04.2019

OVE - Abruzzo [Tapete / Indigo]

Das ist so eine Sache mit dem Nichtgelingen von Dingen: Du kannst dich darüber ärgern oder geile Geschichten darüber erzählen. Dass sich die Ove-Kapelle für letzteres entschieden hat, ist ein Segen: Selten klangen Stories über die Unwegbarkeiten des Lebens so mitreißend positiv.

Dabei war die Idee, das dritte Album nach „Ove wenn und aber“ (damals noch als Game Ove & Die Spielfiguren) und „Ich will mir nicht so sicher sein“ in den italienischen Abruzzen aufzunehmen, so mega stark. Es kam dann doch anders, und trotzdem wohnt dieser Platte der Geist des guten Gedankens inne. Das fängt damit an, dass sie trotz alledem „Abruzzo“ heißt. Und auch genauso klingt. Nach Italien, Sonnenschein und leckeren Kaltgetränken, mit Falsettchören, beeindruckend laid back gespieltem Yacht Pop, funky Afrobeat-Licks (Paul Simon-Gedenkmoment auf „Der Türsteher“!), sonnigem Folk und feinst konstruiertem Pop. Vor allem sind es aber die Geschichten, die Ove Thomsen und seine Jungs hier erzählen, die einem ein breites Grinsen ins Gesicht malen: Die handeln nämlich auch vom Wunsch als Vater des Gedanken, von guten Ideen und auch von nicht so guten. „Annegret und Anders Andersen“ planen, ihre Karriere als Aalverkäufer auf Amrum gegen ein neues Leben in Amerika einzutauschen: „Lieber Hand in Hand ne dicke Lippe riskieren als blank auf der Bank die Gräten zu sortieren“. Eine „Nachtwanderung im Süderlügumer Wald“ mit einer sowieso schon nur geht-so-wissbegierigen Jugendgruppe endet mit eiskalten Füßen und großer Unzufriedenheit. Wenn in „Fahrrad in der Nacht“ auf dem Nachhauseweg wahlweise der Reifen platt ist oder die Kette reißt, ist die Hand des guten Typen neben dir an deinem Lenker ein Freundschaftsbeweis sondergleichen. Und es geht noch weiter: Am Ende einer leider unterm Strich misslungenen alternativen Kindererziehung im Wald steht auf „Captain Fantastic 2.0“ zwar die Isolation des hippieesken Elternpaares vom inzwischen erwachsenen Nachwuchs, aber dank diverser berauschender Kräutlein und guten Songs am Lagerfeuer fühlt sich das nur halb so schlimm an. Hängt halt immer davon ab, ob man das Glas halb leer oder halb voll sehen möchte. Und selbst wenn Ove in „Zum Download bereit“ auf dem Weg in die ungewisse Zukunft einen Autounfall baut, blinkt immer noch das Display des unvermeidlichen Smartphones. Siri ist immer noch bei dir, selbst wenn dir sonst keiner mehr hilft.

Alles das sind Stories, die unvorteilhaft ins Klamaukige abdriften könnten - dass OVE diese Falle umschiffen, ist die allergrößte Stärke von „Abruzzo“. Der vor Spielfreude nur so sprudelnde Soundmix beantwortet die Frage nach halb leer und halb voll sowieso schon eindeutig; Thomsens nordfriesisch-lakonischer Charme eignet sich perfekt, um dat büschn Trabbel im Leben mit der entsprechenden Gelassenheit zu relativieren; im besten Sinne „down to earth“, wie man so schön sacht. So gut wie auf „Abruzzo“ waren OVE noch nie, klanglich wie lyrisch. Und auch, wenn die Platte jetzt schon eine ganze Zeit lang draußen ist: Sie wird das ganze Jahr über noch für eine Menge Freude sorgen, mindestens.