Rezensionen 03.04.2018

Spanish Love Songs - Schmaltz [Uncle M / Cargo]

Man könnte befürchten, der Markt an wunderbaren New-Emo-Veröffentlichungen sei inzwischen tendenziell übersättigt. Wenn man sich Alben wie das etwas seltsam betitelte „Schmaltz“ der Spanish Love Songs anhört, freut man sich, dass es noch lange nicht soweit ist.

Die Spielarten des neuen Emo sind vielfältig. Die Tiny Moving Parts interpretieren ihn, beispielsweise auf ihrem aktuellen Album „Swell“, mit Mathrock-Anleihen, die Menzingers mischen ihn mit flanellhemdkariertem Heartland Punk, auf ihrem aktuellen Album „Abendrot“ nahmen You Blew It Anleihen beim Prog und bei Pianos Become The Teeth hat inzwischen die vom namensgebenden Tasteninstrument evozierte Melancholie die Führung übernommen. Niemand soll behaupten, dieses Genre sei eindimensional und auf traurige, tätowierte Schmalhänse abonniert.

Bei den Spanish Love Songs aus Los Angeles ist die Auslegung des Wortes Emo schon ein wenig anders geprägt. Melancholisch und tieftraurig ja, aber durchaus mit Blick nach vorne. Das zweite Album der Band um Dylan Slocum klagt nicht nur, sie sucht auch nach positiven Sichtweisen - für diese Seite stehen die unwiderstehlichen Punk-Momente auf „Schmaltz“, dem zweiten Album der Spanish Love Songs, das bezeichnenderweise mit der Zeile „Is there any way to give a shit?“ beginnt. Überhaupt bedienen sich Slocum und Co. eines Kniffs, der auch bei dem nach wie vor über die Maßen brillanten „Home Like Noplace Is There“ von The Hotelier hervorragend funktionierte: Sie stellen ihrer Platte einen Opener voran, der in ihren Duktus einführt. Bei The Hotelier hieß das Stück sogar „An Introduction To The Album“; bei den Spanish Love Songs heißt es „Nuevo“; es liest sich fast wie ein Gedicht und endet mit den Worten „Fuck. I’m miserable. Which means it’s me that hasn’t changed or moved an inch out of this place. That doesn’t mean I want to end up this way“.

Klanglich zieht „Schmaltz“ (was der Titel wohl soll?) in der Nachbarschaft von The Hotelier, Tiny Moving Parts und den Menzingers ein - die zwölf Songs sind ein starker Mix aus der aufreibenden Brachialität von ersteren, der Detailverliebtheit der zweiten und der zupackenden Melodieverliebtheit von letzteren, was Songs wie „Joana, In Five Acts“, „Bellyache“ oder „El Niño Considers His Failures“, das mit einem sehr sympathischen Textstolperer beginnt („Close! Close!“), bevor das Stück richtig beginnt, zu ziemlich unwiderstehlichen Emo-Rock-Nummern macht. Ganz groß ist auch das abschließende „Aloha To No One“, das rein zur akustischen Gitarre dann doch mit einer sehr nachdenklichen, ja sogar recht pessimistischen Haltung nachhaltig beeindruckt: „So when you wake up and you know you’ll never be better - hide under your sheets, your room will always be a mess“.

„Schmaltz“ ist trotzdem niemals pathetisch; die Traurigkeit, die ihm inne wohnt, wird nie zu einem jammervollen Klagen. Wenn Slocums Stimme bricht, erinnert sie sogar an den frühen Conor Oberst, aber sie ist kraftvoll genug, um zu suggerieren, dass die Widrigkeiten des Lebens zu überstehen und zu bewältigen sind. Eine richtig starke Emo-Platte, die wieder einmal zeigt, dass die Geschichte des Genres nicht zu Ende erzählt ist, so wie die Geschichte, die „Schmaltz“ erzählt, mit jedem Hördurchlauf die gleiche Spannung und Intensität entfaltet.


Text: Kristof Beuthner