Rezensionen 09.10.2018

Theodor Shitstorm - Sie werden dich lieben [Staatsakt / Caroline International]

Das Herz frohlockt bei dieser Platte, denn sie markiert die Wiederkehr von einer, die sich mit ihrem Debüt „Wenn die Nacht den Tag verdeckt“ vor vier Jahren aus dem Stand zu einer der tollsten Songwriterinnen dieses Landes gemacht hat: Desiree Klaeukens nämlich.

Doch, Achtung, da muss man jetzt aufpassen: Sie ist nämlich nur die eine Hälfte, sozusagen das eine Elternteil des Kindes Theodor Shitstorm. Weil nämlich während dieser letzten vier Jahre eine ganze Menge passiert ist und Desiree Klaeukens Ausflüge in die Schauspielerei genommen hat, wo sie den Filmemacher Dietrich Brüggemann kennen gelernt hat. Da kristallisierte sich schnell eine Faszination für die jeweilige Kunst des anderen heraus, er bringt sie zum Film, sie ihn zur Musik, und am Ende der Phase steht eine Platte, die man nicht als Comeback von Desiree Klaeukens bezeichnen darf - oder doch? - sondern als Geburtsstunde eines wunderbaren neuen Duos, das hinter dem Moniker eines imaginären Kindes (inzwischen Jugendlichen) so weise und waidwund, so ironisch und feingeistig diesen seltsamen Apparat namens Leben zu erklären versucht, daran mit Pauken und Trompeten scheitert und mit Wein aus dem Tetrapak darauf anstößt, dass man immerhin noch sich selber hat.

All die Weisheit, die wir meinen, in uns zu tragen und weiterzugeben, wird im grandiosen „Ratgeberlied“ ad absurdum geführt: „Alles, was du weißt, passt in einen Satz, aber den hast du vergessen und dein Kopf ist leer, du bist klug und gebildet und du weißt überhaupt nichts mehr“. In „Schuld“ wird eine Gesellschaft beschrieben, die zwanghaft für alles einen Verantwortlichen finden will, ohne bei sich selbst anzufangen. „Depression“ beschreibt die totale Vereinzelung in urbanen Lebensräumen wie im ländlichen Gemütlichkeitsidyll. „Kunst“ ist - ja, was ist das eigentlich? Darüber wird ja seit geraumer Zeit fleißig diskutiert, und Theodor Shitstorm findet dafür eine Menge Antworten. Und „Getriebeschaden in der Slowakei“ ist ein unglücklicher Roadtrip durch die täglichen Fehlbarkeiten der Welt um uns herum. Das alles wird durchgängig lakonisch, aber mit unfassbar präziser lyrischer Finesse erzählt, und es könnten einem ein Sven Regener oder ein Nils Koppruch aus der Referenzschublade entgegen winken, in deren Tradition „Sie werden dich lieben“ durchaus stehen mag, aber es ist etwas eigenes daraus entstanden, das Desiree Klaeukens als eine der besten Texterinnen des Landes weiter etabliert und Dietrich Brüggemann als absolut adäquaten Sidekick ins Rampenlicht rückt. Klar ist das Ganze klanglich in kein bahnbrechendes Konzept gebettet; eine Gitarre, ein Laptop, Golo Schulz am Bass und Florian Holoubek am Schlagzeug komplettieren die Theodor Shitstorm-Band, und auch hier denkt man zuweilen an Element Of Crime und Fink, an den frühen Gisbert und an Liedermacher der alten Schule, aber das ist insofern einerlei, weil Theodor Shitstorm keine Mucker-, sondern eine Textband ist, und zwar eine, auf die wir ganz offensichtlich lange gewartet haben - endlich sagt das alles jemand endlich wieder so, dass Kopf und Herz sich einig sind. „Sie werden dich lieben“ darf als programmatischer Titel verstanden werden: Dieses Album ist vielleicht das beste deutschsprachige Werk des in seine Endphase schlitternden 2018.


Text: Kristof Beuthner